Unterhaltsame Bettlektüre

Über Bernd Brunners „Die Kunst des Liegens“

Von Monika GroscheRSS-Newsfeed neuer Artikel von Monika Grosche

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Egal ob Sie Groucho Marx’ Ansicht „Was man nicht im Bett tun kann, ist es nicht wert getan zu werden“, teilen oder nicht – vielleicht liegen Sie ja, während Sie das hier gerade lesen gemütlich auf dem Sofa, mit ein paar Kissen im Rücken und dem Notebook auf dem Schoß? Das wäre kein Wunder, verbringen wir doch rund ein Drittel unseres Lebens in mehr oder weniger liegender Position. Und dennoch findet das Liegen heutzutage in der Regel wenig Wertschätzung. In einer Zeit, in der alles auf Effektivität, Produktivität und (wirtschaftliche) Verwertbarkeit ausgerichtet zu sein scheint, haftet der horizontalen Position eher das Image der Faulheit und der Zeitverschwendung an.

Dabei ist Liegen jedoch gar nicht gleich Liegen, ermöglicht es doch durchaus ein breites Spektrum unterschiedlicher Zustände von absoluter Passivität bis hin zu leidenschaftlicher Aktion. Immerhin vollziehen sich laut Edmond und Jules de Goncourt alle wichtigen Stationen eines menschlichen Lebens, „Kindbett, Koitus und Tod“, in der Regel durchaus im Liegen. – Womit sich dann doch ein zweiter Blick auf das meist nicht näher beachtete Thema zu lohnen scheint.

Dass am Liegen mehr dran ist, als einfach nur ein paar verschlafene Stunden, um für Arbeit und Alltag fit zu sein, das beweist das selbsternannte neue „Handbuch der horizontalen Lebensform“, das der Galiani Verlag unter dem Titel „Die Kunst des Liegens“ herausgebracht hat. Hierin liefert der Autor Bernd Brunner eine gescheite und informative, aber vor allem auch recht unterhaltsame Anekdotensammlung rund um das Liegen im Allgemeinen und Speziellen.

So lässt uns Brunner tief eintauchen in die Historie des menschlichen Liegens und erläutert, wie sich unsere Vorfahren, vom Steinzeitmensch bis hin zum absolutistischen König gebettet haben. Da gibt es einfache Laubhaufen ebenso wie Paradebetten, in denen man keineswegs schlief, sondern seinen Gästen huldvoll Audienz gewährte.

Auch kulturelle Aspekte, wie man sich bettet, so etwa die Frage, ob Daunenkissen, Holzkeile oder gar Steine den Kopf beim Schlaf in einer gehobenen Position halten, und ob man sich in Hängematten, auf dem Boden oder vielleicht auf einem Futon zur Ruhe begibt, bereitet Brunner anschaulich und mit viel Detailwissen auf.

Doch nicht nur Fakten und Anekdoten zur Geschichte und zu fremdländischen Schlafgewohnheiten machen das Büchlein zu einem keineswegs einschläfernden Unterhalter für die abendliche Bettlektüre. Kein noch so geringer Seitenaspekt des Liegens scheint hier unbeachtet zu bleiben, so etwa, welche Tücken das Essen im Liegen, das bei den Römern durchaus als schick galt, mit sich bringt. Oder worin die physiologischen Effekte des Liegens (und letztendlich auch Schlafens) für den menschlichen Organismus bestehen und wie man mit Schlafstörungen umgehen kann. Oder auch die interessante Frage, welche Rolle Liegende als Schaffende (so etwa Michelangelo beim Malen der Sixtinischen Kapelle) oder als Motive (Goyas „nackte Maya“) in der Kunst gespielt haben.

Doch nicht nur aus der Malerei ist das Liegen nicht wegzudenken: Das Liegen während der Psychoanalyse, allen voran auf Sigmund Freuds Couch, findet hier ebenso Beachtung wie Autoren, die, freiwillig (Mark Twain und Marcel Proust) oder unfreiwillig (Heinrich Heine), ihre schriftstellerische Arbeit ins Bett verlegten.

Egal ob man Brunners hymnische Begeisterung für das Liegen teilt oder nicht, der angenehme Plauderton des Autors wirkt durchaus mitreißend, so dass man der Lektüre munter bis zur letzten Seite folgt und danach durchaus gewillt ist, der so geschmähten Position des Seins doch wieder einen höheren Stellenwert einzuräumen.

Titelbild

Bernd Brunner: Die Kunst des Liegens. Handbuch der horizontalen Lebensform.
Galiani Verlag, Berlin 2012.
168 Seiten, 16,99 EUR.
ISBN-13: 9783869710518

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