Ein Meister mährischen Menschenwitzes

Zum Tod von Jan Trefulka (1929-2012)

Von Volker StrebelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Volker Strebel

Der in Brünn/Brno geborene tschechische Schriftsteller Jan Trefulka war ein überzeugter Mährer. Er hatte bereits in den späten 1940er-Jahren massive Schwierigkeiten mit den Machthabern seines Landes bekommen, denen seine offene und dabei zugleich verschmitzte Art, offensichtliche Widersprüche zwischen proklamierter Absicht und prosaischer Wirklichkeit anzusprechen, nicht zugesagt hatte.

In den 1960er-Jahren arbeitete Trefulka für die in Brünn erscheinende Literaturzeitschrift „Host do domu“ (Gast ins Haus), die er später sogar als Chefredakteur betreute. In jenen Jahren zaghafter Reformversuche seitens der führenden Partei, der KPČ, verstand es Trefulka in ausgezeichneter Weise, diese Literaturzeitschrift zu einem bemerkenswerten Aushängeschild kritischen Denkens und hochwertiger Literatur zu gestalten. Auch seine eigenen Erzählungen und Romane hatten sich dadurch ausgezeichnet, dass sie menschliche Schwächen oft auf humorvolle Weise darstellten und ideologische Vorgaben über ein „sozialistisches Menschenbild“ mit feiner Ironie aufs Korn nahmen.

Spätestens seit 1970 hatte er in seiner Heimat nichts mehr veröffentlichen können. Seine Bücher erschienen im Samizdat aber auch im Ausland. 1977 hatte Jan Trefulka, wie die meisten seiner engen Schriftstellerfreunde Václav Havel, Ivan Klíma, Pavel Kohout oder Ludvík Vaculík das Manifest der Bürgerrechtsbewegung CHARTA 77 unterschrieben. Freilich war er von seinem Naturell her kein lärmender Aktivist, der süchtig nach Kameras war oder Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit suchte. Er liebte gesellige Runden mit guten Freunden und war dankbar für menschliche Aufrichtigkeit. Seine Ausgeglichenheit war sprichwörtlich und entsprach seinem Sinn für ein gesundes Maß.

In Deutschland hatte Jan Trefulka nicht nur bei Kennern guter tschechischer Literatur mit seinen Romanen „Der verliebte Narr“ (1979) oder „Unbesiegbare Verlierer“ (1988) auf sich aufmerksam gemacht. Seine Erzählungen und Feuilletons, geprägt von Sprachfreude und Menschenwitz, waren in deutschen Übersetzungen leider nur verstreut publiziert. In der Tschechoslowakei konnten seine Bücher aber erst nach der „Samtenen Revolution“ im Herbst 1989 wieder veröffentlicht werden. Nach zwanzigjähriger Pause auferlegten Schweigens wusste er dies zu schätzen. Unermüdlich brachte er sich fortan in die öffentlichen Diskussionen ein, übernahm 1991-1995 Verantwortung als Vorsitzender der Gemeinde der mährisch-schlesischen Schriftsteller und organisierte einen gleichnamigen Schriftstellerpreis.

Trefulkas Stellungnahmen zu politischen Vorgängen sowie zu Fragen deutsch-tschechischer Nachbarschaft zeichneten sich durch ihre begriffliche Schärfe aus, die ohne Umschweife neuralgische Punkte im gegenseitigen Verständnis zu benennen vermochte. Dabei war es ihm nie um polternde Provokationen gegangen, sondern um ein gegenseitiges Verstehen, da er als Mährer und Europäer wusste, daß eine Zukunft in Würde nur gemeinsam zu erreichen ist.

Bis zuletzt hatte Jan Trefulka aufmerksam die Vorgänge in seinem Land beobachtet und in kritisch-satirischen Feuilletons dazu Stellung genommen. Krankheiten und die Lasten des Alterns hatte er tapfer ertragen. Am Donnerstag, den 22. November 2012 ist Jan Trefulka im Alter von 83 Jahren in der Universitätsklinik Brünn-Bohunice an Nierenversagen gestorben.