Eine Philosophie des Gesichts – Stefan Diebitz’ Studie „Leonards Entdeckung. Eine Philosophie des Ausdrucks“

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Leonardo da Vinci formulierte eine der wesentlichen Einsichten der Anthropologie, als er einen Hinweis darauf gab, wie man das Porträt eines Menschen anfertigt: „Lasse niemals zu, daß der Kopf auf dieselbe Seite gedreht ist wie die Brust, und den Arm wende nie in dieselbe Richtung wie das Bein.“

Als Maler zielte er damit auf die Vieldeutigkeit des menschlichen Ausdrucks. Weil sich der Wille als etwas Negatives auf den Menschen zurückrichtet und seine Natur zähmt und beherrscht, ist sein Ausdruck immer dann besonders bedeutungsvoll, wenn er von zwei gegenläufigen Bewegungen bestimmt wird. Für den Menschen ist es deshalb typisch, dass seine Bewegungen einander gelegentlich negieren können.

Diese Einsicht bezeichnet Stefan Diebitz dem Maler zu Ehren als „Leonardos Entdeckung“. Sie ist der Ausgangspunkt seiner Überlegungen, die sich besonders mit dem Gesicht und dem Zusammenhang von Moral und Ausdruck beschäftigen. Ausdruck bestimmt nicht allein unsere Wahrnehmung von Mensch und Tier, sondern auch die der toten Natur oder der Pflanzenwelt. Denn immer setzt sich die Wahrnehmung aus einer Fülle von Sinneseindrücken zusammen, die von vornherein Gestaltcharakter haben, so dass für uns auch die eigentlich tote Natur Ausdruck zeigt. Die Uneindeutigkeit des Ausdrucks ist ein Grund für die Ablehnung aller monistischen Theorien, auch, ja besonders in der Moral. Moral und Ausdruckserleben gehen immer von dem Erlebnis eines Ganzen aus.

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Titelbild

Stefan Diebitz: Leonardos Entdeckung. Eine Philosophie des Ausdrucks.
Die graue Edition, Zug/Schweiz 2012.
265 Seiten, 26,00 EUR.
ISBN-13: 9783906336602

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