Afghanen, eine schöne Rothaarige und die deutsche Politik

Gisbert Haefs hat Balthasar Matzbach für seinen Roman „Finaler Rettungskuss“ wiederbelebt

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Jetzt ist auch Matzbach wieder da. Balthasar Matzbach, einst Philosoph, Erfinder, Komponist eines lukrativen Schlagers, Lottogewinner und Hobbydetektiv, jetzt pensioniert und immer noch so wohlhabend, dass er nicht mehr arbeiten muss. Matzbach war einmal Serienstar in einer Krimireihe, die bei Heyne, Goldmann und Haffmans erschien. Und jetzt ist er wieder da, im KBV-Verlag, sichtlich gealtert und leider auch ein bisschen konfus geworden.

Denn der neue Fall, dem er sich widmet, spielt heute, und Matzbach (Jahrgang 1939) ist ein wenig dünner geworden und sogar geschrumpft (120 kg bei 1,90 m damals!), darf nicht trinken, nicht rauchen und auch sonst nicht viel, sagen seine Ärzte. Was nicht dünner geworden ist, ist seine dampfplauderige Art, die manchem schon früher auf die Nerven ging, anderen aber sehr gefiel, weil sie so erfrischend war. Er war früher aber lockerer und noch sehr viel ironischer, auch hier hat er zwar nicht den Biss verloren, aber doch ein wenig den Esprit.

Der neue Fall beginnt aber mit Bodo Bongartz, der Bundeswehrsoldat war und in Afghanistan verwundet wurde. Noch weiß er nicht, was er mit seinem restlichen Leben tun soll und hütet erst einmal Häuser. Bis es in einer Nachbarvilla eine Explosion gibt und unter dem Schutt die Leiche eines Mannes gefunden wird. Es soll ein Mann sein, der in Afghanistan verschollen ist und der dann doch noch einmal auftaucht. Ebenso taucht eine etwas verstörte rothaarige Frau auf, die sich nicht mehr genau daran erinnern kann, was passiert ist, wer sie ist und woher sie kommt – Bombentrauma.

Der weitere Fall und seine Aufklärung sind aber leider sehr konfus, es kommen noch ein redseliger Zwerg dazu, Afghanen und Soldaten und weiteres, in diesem Fall lichtscheues Gesindel. Immer wieder muss in dem Krimi das Geschehen zusammengefasst werden, damit man überhaupt noch durchblickt, so verzweigt und verknäult ist das alles. Und selbst die Aufklärung am Schluss macht das Ganze nicht sehr viel überschaubarer, da hat Haefs eindeutig ein wenig den roten Faden verloren. Nur so viel: Es geht um Geheimdienste aller Art, auch afghanische, die sich hier in Deutschland schon jetzt auf die Zeit vorbereiten, wenn der Westen sich aus Afghanistan zurückziehen wird. Und das, man ahnt es, wird nicht besser werden.

Und so schüttet Matzbach wie gewohnt und auch berechtigt seinen Hohn über die allgemeine und speziell die deutsche Politik aus: über das Schnellstudium, damit man nicht zum eigenständigen Denken kommt, über das undurchschaubare Steuerrecht oder das nicht funktionierende Gesundheitssystem: „Also, was brauchen wir? Vielleicht eine neue Außenpolitik. Bestimmt eine andere Wirtschaftspolitik – wozu sollen wir eigentlich Banken finanzieren? Die sollen uns finanzieren! Ach was. Nein, was haben wir stattdessen gekriegt? Eine Rechtschreibreform und ein Rauchverbot.“

Es gibt ein paar sehr schöne Szenen in diesem Krimi, wie die mit der Polizistin und der unbekannten Rothaarigen, in denen Haefs die Charaktere zärtlich und manchmal leicht ironisch schildert. Aber vieles andere wirkt doch ein wenig gezwungen. Selbst die Sprache, die damals, Anfang bis Mitte der 1980er-Jahre, als die ersten Matzbach-Krimis erschienen (1981 der erste), noch unnachahmlich leicht und feuerwerkartig ironisch bis blitzend sarkastisch war und eine Befreiung von den vielen drögen, ernstgemeinten und ernstgemachten Krimis, mit einem ebenso ironischen Erzähler, ist heute, nach dem ganzen Comedy-Müll aus allen Medien oft nur noch langweilig und wirkt an den Haaren herbeigezogen und oft sogar pubertär. Manchmal blitzt noch ein wenig von der damaligen Qualität auf, aber leider nur allzu selten.

Haefs ist ein genialer Übersetzer (wir verdanken ihm unter anderem Kipling, Doyle und Borges) und ein fleißiger Autor von historischen Romanen, aber hier ist er nicht ganz auf der Höhe seiner Kunst. Dennoch freut man sich, dass Matzbach wieder da ist, und hofft, dass der nächste Roman, für nächstes Frühjahr angekündigt, wieder etwas besser wird.

Titelbild

Gisbert Haefs: Finaler Rettungskuss. [Baltasar Matzbachs neunter Fall].
KBV Verlags- und Medien-GmbH, Hillesheim 2012.
177 Seiten, 9,50 EUR.
ISBN-13: 9783942446488

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