Von Town zu Town im Morgengraun

Alex Capus legt mit „Skidoo“ einen Western vor und erfüllt damit seine Männerpflicht

Von Frank RiedelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Frank Riedel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Nach dem großen Erfolg von „Léon und Louise“ wechselt der 1961 geborene Schweizer Autor Alex Capus das Genre und erklärt den Lesern auch gleich warum: „Wenn ein Mann einen Liebesroman geschrieben hat, muss er hernach zum Ausgleich etwas Ordentliches tun. Einen Western schreiben zum Beispiel. Man ist sich das einfach schuldig, nicht wahr?“

Und so nimmt er den Leser mit auf seine „Reise durch die Geisterstädte des Wilden Westens“. 5.481 Meilen entfernt von seiner Heimat, der Kleinstadt Olten, befinden sich rund um das Death Valley die sechs ausgestorbenen amerikanischen Kleinstädte, deren Blütezeit und Männergeschichten der Autor beschreibt.

Man erfährt, was Indianer auf chinesische Friedhöfe trieb, warum der Bierbrauer in Panamint City, Louis Munzinger, ursprünglich aus Capus‘ Heimatstädtchen Olten stammen musste, wie man im Wilden Westen mit Schießereien im Suff und Lynchjustiz umging. Auch das Schicksal eines Kühlanzugerfinders, der schließlich in der Wüste erfror, lässt einen nicht kalt. Schließlich wird noch zwei großen Mythen Amerikas auf den Grund gegangen: dem Grand Canyon und der Route 66. Ein Spanier namens Coronado war 1540 nämlich der erste Europäer, der den Grand Canyon sah und dennoch mehrfach von den Ureinwohnern buchstäblich in die Wüste geschickt wurde. Wie „Fliesenleger, Architekten und Wirtschaftsprüfer aus Brunsbüttel, Friedrichshafen oder Herzogenbuchsee“ in Easy-Rider-Kluft auf gemieteten Harleys eigentlich einen ehemaligen Kamelpfad entlangtuckern und wieso Hi Jollys Grabmal nahe des US Highway 60 die Form einer Pyramide hat, „auf dessen Spitze ein Kamel thront“, all das und noch mehr äußerst unterhaltsamen Lagerfeuernonsens erzählt Capus lakonisch-amüsant und spannungsgeladen.

Mit kernigen Sprüchen spart der Autor bei seinem Einblick in die Welt der echten Männer nicht – „Wer hier frühmorgens ein Hühnerei in die Sonne legt, kann es mittags hartgekocht schälen“ –, denn er hat als Dreijähriger selbst hinter der Brombeerhecke einen halben Tag das Leben eines gesetzlosen Desperados geführt. Aus dem gleichen Holz geschnitzt ist seine Antwort auf das auf „Facebook“ monierte Fehlen der in Western obligatorischen Pferde, denn „Pferde und Motorräder sind genau dasselbe, nur die Bremse ist woanders“.

Alle Geschichtchen und Legenden sind mit alten Fotos dokumentiert und ihre Spuren im Internet zu finden. Capus hat auf 76 Seiten den Geisterstädten Leben eingehaucht, ihren Helden und Schicksalen einmal eine Bühne gegeben, aus Fakten Texte gemacht, die eher unterhalten als dokumentieren sollen. Wenn dann zum literarischen Humor noch der liebenswerte Schweizer Akzent hinzukommt, wie beispielsweise im Buchtrailer (unter Videos oder bei youtube http://www.youtube.com/watch?v=hq-EGxpJNag), dann weiß man, der letzte Cowboy mag laut Thommie Bayer aus Gütersloh kommen, des allerletzten Cowboys Heimat aber muss Olten sein. Und wenn das Schmunzeln langsam abklingt und der Alex dem Sonnenuntergang entgegenreitet, kann man gespannt warten, was nach einem Western als Ausgleich getan – oder hoffentlich geschrieben – werden muss.

Titelbild

Alex Capus: Skidoo. Meine Reise durch die Geisterstädte des Wilden Westens.
Carl Hanser Verlag, München 2012.
76 Seiten, 12,00 EUR.
ISBN-13: 9783446240841

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