Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich

Heinrich Meier über die Lehre Carl Schmitts

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Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Heinrich Meier ist Professor für Philosophie an der Universität München und leitet seit 1985 – als Nachfolger Armin Mohlers – die Carl Friedrich von Siemens Stiftung in München. Er ist weltweit einer der besten Kenner des umstrittenen Staatsrechtlers Carl Schmitt. Seine Arbeiten sind ins Englische, Französische, Italienische, Japanische und Chinesische übersetzt.

In seiner Studie „Die Lehre Carl Schmitts“, nun in der vierten Auflage erschienen, zeigt Meier, dass Schmitt ein politischer Theologe war. Schmitts politische Theorie erhebt den Anspruch, auf den Glauben an die göttliche Offenbarung gegründet zu sein: „Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich“. Der politische Denker müsse zwischen Freund und Feind unterscheiden.

Es geht bei Schmitt um ein Entweder-Oder, um die Wahl zwischen Glaube und Unordnung. Schmitt ist davon überzeugt, „daß die Leugnung der Erbsünde alle soziale Ordnung zerstört“. Auch der Ästhetizist verfehle im „völlig amoralischen, naturhaften Genuß“ das Wichtigste. Aus dieser Haltung richtete sich Schmitt gegen die Fortschrittskonzeptionen von Aufklärung, Liberalismus und Kapitalismus. „Sie wollten den Himmel auf der Erde, den Himmel als Ergebnis von Handel und Industrie, der tatsächlich hier auf der Erde liegen soll, in Berlin, Paris oder New York, einen Himmel mit Badeeinrichtungen, Automobilen und Klubsesseln, dessen heiliges Buch der Fahrplan wäre.“

Überzeugend und detailreich unterbaut Meier seine These, Schmitts Denken sei nicht angemessen zu verstehen, wenn das Zentrum seines Denkens nicht als politische Theologie begriffen werde. Dabei ist Meier weit davon entfernt, den umstrittenen Schmitt, der als „Kronjurist des Dritten Reiches“ gilt, zu verteidigen. Schmitts Begeisterung für Benito Mussolini, seine Eloge auf den faschistischen Staat und seinen Antisemitismus stellt Meier differenziert und kritisch dar. So kritisiert er zu Recht, was Schmitt aus dem „Engländer“ Hobbes und dem „jüdischen Denker“ Spinoza macht: „Was die beiden Philosophen in Wahrheit eint, wird vollständig ausgeblendet und worin sich ihre Haltung gegenüber der Religion tatsächlich unterscheidet, wird bis zur Unkenntlichkeit verzeichnet“.

Auch lässt Meier nicht unerwähnt, dass Schmitt seinen größten Feind Rousseau, der das natürliche Gutsein des Menschen gegen die Lehre vom Sündenfall verteidigte, in seiner Politischen Theologie unerwähnt ließ. Der Münchner Gelehrte kommentiert Schmitt kritisch – zum Beispiel wenn dieser schreibt, das Politische sei „selbständig als eigenes Gebiet“ zwischen anderen Gebieten anzusiedeln. Denn das ist ein Relativismus, der schlecht zu Schmitt passt.

Meier entwickelt seine These aus der Interpretation der Politischen Theologie von 1922, des Leviathan-Buches von 1948 und der Politischen Theologie II von 1970. Er stützt sie mit Zitaten aus dem Gesamtwerk des Staatsrechtlers. Lediglich später erschienene Briefwechsel bleiben größtenteils außer Betracht. Man muss Meier aber Recht geben, wenn er im Nachwort schreibt, dass sie eine „begrenzte Aussagekraft“ haben. So lieferte der 1999 erschienene Briefwechsel Schmitt-Jünger nur wenig neue Erkenntnisse. „Schmitts öffentlicher Angriff prallte an Jüngers olympischer Entrücktheit ab“.

Meier verlangt viel von seinen Lesern. Das gilt für Verbindungen wie „der elenktisch-protreptische Charakter“, für die vielen Fußnoten (an manchen Seiten stehen 4 Zeilen Haupttext gegenüber 43 Zeilen Fußnotentext), aber vor allem für Zitate aus dem Lateinischen. Sie sind auch in dieser vierten Auflage nicht übersetzt. Sic transit gloria mundi – aber immer weniger Leser sind heutzutage des Lateinischen mächtig. Vielleicht, dass der Metzler Verlag dies bei der nächsten Ausgabe besorgen kann, damit diese Studie – tiefgründig, lehrreich und überzeugend wie sie ist – etwas zugänglicher wird.

Titelbild

Heinrich Meier: Die Lehre Carl Schmitts. Vier Kapitel zur Unterscheidung Politischer Theologie und Politischer Philosophie.
J. B. Metzler Verlag, Stuttgart 2013.
304 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783476024664

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