Vergnügliches „Visavis der Visagen“

„Pleased To Meet You“: Wolfgang Doebelings Dialoge mit den Größen der britischen Musikgeschichte

Von Kristy HuszRSS-Newsfeed neuer Artikel von Kristy Husz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein Buch zu besprechen, in dem sich dicht gedrängt die eigenen musikalischen Helden zu Wort melden, kann einem manches Hindernis in den Weg legen, gilt es doch, zwei Seelen in der Brust und auf dem Papier, Pardon, dem Bildschirm miteinander zu vereinen: die eines (fast) bedingungslosen Fans und die der um Objektivität bemühten Rezensentin.

Immerhin, mit diesen Nöten ist man nicht allein. Der digitalen Errungenschaften skeptisch gegenüberstehende Musikjournalist Wolfgang Doebeling, der sich vor allem beim Berliner Kultmagazin „tip“ und beim deutschen „Rolling Stone“ sowie mit der radioeins-Sendung „Roots“ einen Namen machte, hatte das gleiche Problem. Und es erwies sich als der treibende Motor seines gesamten Schaffens. Nicht nur Fran Healy, Frontmann der Band Travis und Kumpel Doebelings, weiß das, wenn er im Vorwort der zu besprechenden Interview-Kompilation begeistert bekennt: „[T]here isn’t another enthusiast whose mission it has been to share their passion with the mass more than Wolfgang.“

Gleich zwölfmal steckt uns Fran Healys Freund nun also mit seiner Leidenschaft an, denn die Gespräche mit zwölf maßgeblich an der Geschichte der Rockmusik beteiligten Briten hat er jüngst und teils erstmalig unter dem Titel „Pleased To Meet You“ veröffentlicht. Letzterer ist Programm und lässt sich darüber hinaus als kleine Verbeugung vor der Truppe lesen, die den bedeutendsten Platz in Doebelings „Soundtrack des Lebens“ einnimmt: „Pleased to meet you, hope you guess my name…“.

Vom unglückseligen Beinahe-Interview mit Mick Jagger bis zum spontanen Spaziergangsplausch durch einen Londoner Hain mit Ringo Starr ist in der Sammlung jede denkbare Dialogsituation vertreten. Doebeling begegnete Stück für Stück der Urbesetzung der Rolling Stones, er traf mit Paul und Ringo die verbliebene Hälfte der Beatles, reiste mit Ray Davies im ICE von Hamburg nach Berlin, unterhielt sich in der Person Pete Townshends mit einem weiteren „Stones-Fan der ersten Stunde“, besuchte Graham Nash in Los Angeles, kitzelte Auskünfte aus einem enigmatisch-lakonischen David Bowie heraus, brach das Eis bei dem als schwierig geltenden Elvis Costello und spürte, wie schon bei seinen anderen Gesprächspartnern, der musikalischen Sozialisation eines Joe Strummer nach, der ihm ganz besonders ans Herz wuchs.

Und das alles ist bloß eine winzige Kostprobe aus der Vorratskammer der über tausend Interviews, die der Berliner Publizist nach mehr als fünfunddreißig Jahren Karriere auf dem Buckel hat. Weitere Bände, in denen zum Beispiel die Künstler jenseits des Atlantiks in den Fokus rücken sollen, sind geplant. Und das ist auch gut so. Das Beste aber ist die Art und Weise, wie Doebeling in die jeweiligen Gesprächskonstellationen einführt und gesprochenes Englisch in deutsche Schriftsprache konvertiert: Seine Texte kommen unverkrampft daher, lassen die verschiedenen Bearbeitungsstadien, durch die sie gehen mussten, nicht erahnen und reflektieren stattdessen die Fabulierfreude, Leichtfüßigkeit und Sachkompetenz eines an der angelsächsischen Musikpresse geschulten Geistes.

Folglich erwartet den Leser kein zwischen zwei Buchdeckel gepresstes, streng genormtes Frage-Antwort-Pingpong, sondern ein höchst kurzweiliger Blick hinter die gelackten Promo-Fassaden des Pop. Hier und da hätte man sich zwar ein etwas gründlicheres Lektorat und hin und wieder ein bisschen weniger Raffungen gewünscht. Doch das sind Marginalien, welche die Rezensentin, dem Fan in sich Vorzug gebend, unschwer verschmerzen kann.

Titelbild

Wolfgang Doebeling: Pleased To Meet You. Interviews mit Musikern.
Wilhelm Fink Verlag, München 2012.
255 Seiten, 24,90 EUR.
ISBN-13: 9783770551200

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