Bücher ohne Moral

Zum 65. Geburtstag von Martin Suter

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

„Die Ideen kommen mir beim systematischen Denken, ich sitze nicht unter einem Feigenbaum und warte, bis mir eine Idee zufliegt. Es ist Arbeit“, hat der Schweizer Erfolgsschriftsteller Martin Suter im letzten Herbst in einem F.A.Z.-Interview erklärt. Dabei wirken seine Bücher so zauberhaft-spielerisch mit leichter Hand dahin geschrieben und seine Storys so unterhaltsam, dass man meinen könnte, Suter sei eine Art Ideen-Vulkan.

Martin Suter, der am 29. Februar 1948 in Zürich geboren wurde, arbeitete zunächst überaus erfolgreich in der Werbebranche, leitete eine renommierte Agentur und hatte sich darüber hinaus als Wirtschaftskolumnist einen Namen gemacht, ehe er mit Ende vierzig seinen ersten Roman „Small world“ (1997) vorlegte. Das Debütwerk, in dem sich Suter dem heiklen Thema Alzheimer widmete, wurde gleich ein gigantischer Erfolg und ist bis heute rund 800.000mal verkauft worden. Was Martin Suter danach auch literarisch anfasste, ob Romane, Drehbücher, Theaterstücke oder Hörbücher: alles geriet ihm zu Gold – nicht zuletzt dank seiner zupackenden, aber dennoch recht einfachen Sprache. Sein Roman „Der Koch“ (2010) schaffte es auf Platz eins in der Spiegel-Bestsellerliste und wurde in den ersten zwei Wochen nach Erscheinen bereits 150.000mal verkauft.

„Ich stelle mich nicht über die Geschichte und sage, das finde ich gut oder schlecht. Meine Bücher haben keine Moral“, erklärte der Schweizer Erfolgsschriftsteller Martin Suter. Er hat sich in seinen Romanen – häufig mit abrupten biografischen Zäsuren als Handlungsauslöser – darauf spezialisiert, spannende Storys zu arrangieren und sie mit einer Prise Exotik anzureichern – egal, ob es um Drogenexzesse, um Molekularküche mit aphrodisierender Wirkung oder um die spleenige Kunstszene geht.

„Wenn es bedeutet, dass man seine Leser nicht langweilt, bin ich gerne ein Unterhaltungsschriftsteller“, hatte Suter in einem Interview erklärt und eingeräumt, dass er stets so schreibe, dass es ihm selber gefalle. Fünf seiner acht Romane sind inzwischen erfolgreich verfilmt worden, unter anderem mit Gerard Depardieu, Stefan Kurt und Daniel Brühl in den Hauptrollen. Dabei schlug der letzte Roman „Die Zeit, die Zeit“ (2012) etwas aus der Art. Es geht erheblich kopflastiger zu, Gedankenspiele und nicht etwa arrangierte Effekte stehen im Vordergrund. Der Buchhalter Peter Taler beobachtet mit Argusaugen seine Nachbarschaft. Gärten, Hauseingänge – jedes Detail nimmt er geradezu besessen unter die Lupe. Auslöser dieses sonderbaren Verhaltens war der Tod seiner Frau Laura, die vor genau einem Jahr vor der Haustür erschossen worden ist. Nicht minder kauzig ist der betagte Lehrer Knupp, der vor 20 Jahren seine Frau verloren hat, wie ein Eremit lebt und von Taler pedantisch beobachtet wird. Irgendwann treffen die beiden in Knupps Wohnung zusammen, und sie begeben sich auf eine philosophische Gedankenreise, in deren Verlauf der Ex-Lehrer bedeutungsschwer erklärt, dass er an der „Überlistung“ der Zeit arbeite.

Neben seinen acht „normalen“ Romanen hat Suter 2011 zwei Krimis um den etwas skurrilen Privat-Ermittler Johann Friedrich von Allmen vorgelegt. Allmen trägt viele bekannte Züge von Suter-Figuren: er ist gebildet, begütert, kunstsinnig und leicht versnobt. Am stärksten ähnelt der polyglotte Dandy dabei Adrian Weynfeldt, dem Protagonisten aus „Der letzte Weynfeldt“ (2008). Irgendwo zwischen launiger Gaunerkomödie und spannendem Thriller hat sich Martin Suter einen Platz für seine Allmen-Romane eingerichtet.

„Wenn es gut läuft, schreibe ich fünf Seiten am Tag“, hat Martin Suter, der abwechselnd auf Ibiza, in Guatemala und in Zürich lebt, einmal über seinen kreativen Output Auskunft gegeben. Nach Lage der Dinge kann sich seine große Lesergemeinde also schon bald auf einen neuen Suter-Roman freuen. Das ist nicht immer große Literatur, aber kein anderer Autor hat den Slogan des Diogenes Verlags „Bücher, die weniger langweilig sind“ so eindrucksvoll in die literarische Praxis umgesetzt wie Suter.