Eine Warnung vor Männern

Yael Hedayas oberflächlicher, belangloser Roman „Alles bestens“

Von Thorsten SchulteRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thorsten Schulte

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die israelische Schriftstellerin Yael Hedaya hat mit „Alles bestens“ einen bemerkenswert schwachen Liebesroman mit wenig plausibler Handlung und vielen Schwächen verfasst. Dabei scheint die Handlung zunächst interessant: Maja verliebt sich in Nathan, schläft mit ihm und genießt ihre neue Beziehung. Als sie die Regel, dass man sich nicht am Wochenende treffen sollte, bricht, erfährt sie, dass Nathan gleichzeitig eine zweite Geliebte hat, mit der er sich am Wochenende trifft. Plötzlich ist ihr klar, woher die frischen Blumen in seiner Wohnung stammen und wer die Kreuzworträtsel in den Zeitungen löst, die Nathan eigentlich hasst. Doch sie fährt weiterhin zu ihm und schläft mit ihm, dem Mann, den sie im Kostüm eines Narren erstmals getroffen hatte, dem Mann, der sich nicht zwischen seinen zwei Frauen entscheiden kann und den sie am Ende unter Aufbietung ihrer ganzen Kraft aus ihrem Leben verbannt.

Gleichzeitig trennen sich Majas Eltern. Maja muss erfahren, dass ihr Vater auch dreißig Jahre nach dem Tod seiner ersten Frau Violette trauert und ihre Mutter für ihn während der langen Ehe nur ein Kompromiss gewesen ist. „Lieber bin ich allein, als ein Kompromiss zu sein“, behauptet Majas Mutter. Ihr Vater zieht aus und lebt in einer leeren Wohnung, „die beeindruckendste Offenbarung seiner Gefühle“. Getrennt können sie nicht leben. Er verliert das Bewusstsein, sie erleidet einen Herzinfarkt, Majas Eltern entscheiden, wieder zusammenzuziehen und einen Neubeginn zu wagen. Auch der Neubeginn wird von einem Streit begleitet. Welche Gefühle Majas Vater tatsächlich für seine Frau hegt, bleibt unklar.

Die zwei Liebesgeschichten, aus denen die Haupthandlung des Romans besteht, stocken immer wieder. Der zähe Erzählstrom wird mehrmals per Einführung einer neuen Nebenfigur beschleunigt, die die Richtung weist. So rät die in Amerika wohnende Schwester Majas ihrer Mutter, eine Therapeutin zu besuchen. Sogleich beginnt diese ihre Therapie bei der Psychologin Orna und erkennt, dass die Scheidung „nur dazu dienen sollte, mich an […] Vater zu rächen“.

Die plötzliche Erkenntnis überrascht, da im Vergleich unwichtige Dialoge viel Raum im Roman einnehmen; der Weg zur Scheidung und selbst der Scheidungsvorgang mit seinen Formalitäten ist intensiver und ausführlicher beschrieben als die schnelle Entscheidung zur Umkehr. Ein zweites Beispiel für eine blasse Nebendarstellerin in Hedayas Roman ist Majas Freundin Nogga. Sie wird nur aufgesucht, um einen Rat einzuholen. Nogga attestiert bei den Kurzbesuchen beispielsweise tiefsinnig, man könne „eine Beziehung nicht auf Sex aufbauen“. Aber es interessiere Maja ja ohnehin nicht, was sie sage. Am Ende des Romans lehnt sich Nogga gegen ihre Rolle als Ratgeberin auf; sie wundert sich, dass Maja zu ihr kommt und fragt: „Ist was Schlimmes passiert?“ Die Psychologin Orna und Majas Freundin Nogga werden undeutlich gezeichnet, ihre Charaktere bleiben beinahe unbeachtet. Schrieb Dorothée Leidig über Hedayas Roman „Eden“ noch, es sei die große Stärke der Autorin, „sich vollkommen glaubwürdig in die verschiedenen Charaktere hineinversetzen zu können“, so belegt „Alles bestens“ exakt das Gegenteil.

Yael Hedaya richtet stattdessen den Fokus auf das Wesen der männlichen Sexualität, das sie verurteilt, weil der Mann ihrer Meinung nach von triebhafter Unentschlossenheit geprägt ist. Das deutliche Absprechen der Fähigkeit des Mannes, wahre Liebe zu empfinden, führt zu einer narrativen Strategie der Verurteilung aller Handlungen der männlichen Figuren im Roman. Es bleibt ihnen keine Gelegenheit zur Rechtfertigung. Stattdessen müssen sie sich mit ihren Worten sogar selbst verurteilen: Nathan der Narr genießt es, zwei Frauen in seinem Leben zu befriedigen und sagt: „Ich finde es gut mit dir. Es macht mir Spaß, mit dir zusammen zu sein. Ich habe kein Problem damit, so weiterzumachen.“

Das Reden mit Männern erscheint den Frauen in „Alles bestens“ anstrengend – „anstrengender als alles, was wir sonst zusammen taten“. Liebt Majas Vater ihre Mutter oder lebt er nur in einer nützlichen Beziehung gegen die Einsamkeit? Diese Frage wird gar nicht erst gestellt. Schließlich kann er nicht kochen, braucht eine Putzfrau und lächelt bei Kritik nur milde, statt sich ernsthaft mit Argumenten auseinanderzusetzen. Untreue scheint Männern angeboren zu sein. In diesem Roman sind Gefühle Männern gleichgültig, sie kratzen sich lieber in der Unterhose vor dem Kühlschrank stehend den Po. Um die Moral des Romans zu verkünden, zieht Yael Hedaya wiederum Nogga heran: „Heirate bloß nie“, konstatiert Nogga, die gleichzeitig selbst ihre Hochzeit mit einem Mann, der seine Hose nicht finden kann und ,oben ohne‘ einkaufen geht, vorbereitet. Damit ist auch für diese Beziehung das Scheitern eine ungeschriebene Selbstverständlichkeit.

Auf dem Buchrücken hieß es noch vielversprechend, in diesem Roman gehe es „um alles“. Der erste Blick auf die Konstruktion der Liebesgeschichten zwischen Nathan und Maja sowie die ihrer Eltern bildet sogleich die Grundlage für die Hoffnung auf eine fulminante Geschichte voller ungewöhnlicher Spannungen und Einblicke in die Seelen von Personen in schwierigen Situationen. Hernach wird die Hoffnung nicht erfüllt, das Buch bleibt oberflächlich, mit unglaubwürdigen Sprüngen und Wendungen, undeutlich gezeichneten Charakteren und insgesamt enttäuschender Handlung bei gleichzeitig einfacher Sprache. Die Zielgruppe der von Männern enttäuschten Frauen wird vermutlich dankend Bestätigung ihres Frustes in Hedayas Roman finden. Die Suche nach dieser Bestätigung könnte ein Grund für die Lektüre sein. Wer sich nicht zu dieser Zielgruppe zählt, wird von dem Roman bitter enttäuscht.

Titelbild

Yael Hedaya: Alles bestens. Roman.
Übersetzt aus dem Hebräischen von Ruth Melcer.
Diogenes Verlag, Zürich 2013.
160 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-13: 9783257300147

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