Der Nachwuchs meldet sich zu Wort – Susanne Boehm und Friederike Kämpfe haben einen Sammelband mit Vorträge zu Gender-Fragen von Absolventinnen der Universität Hannover herausgegeben

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Gender Studies stehen in der akademischen Community nicht mehr ganz so hoch im Kurs wie noch vor ein, zwei Jahrzehnten. Der Rang wird ihnen inzwischen etwa von den Queer Studies, den Postcolonial Studies oder den Critical Whiteness Studies streitig gemacht. Sie sind es, die heute auf nicht wenige Studierende weit attraktiver wirken. Und so könnte man fast meinen, die Gender Studies drohten von und in diesen aufgelöst zu werden. Nun, gar so weit ist es nicht.

Zwar dürften andere Gründe dafür verantwortlich sein, dass der zum Thema „Gesellschaftliche Transformation und Geschlechterverhältnisse“ lehrende interdisziplinäre Studienschwerpunkt Gender Studies an der Philosophischen Fakultät der Leibnitz Universität in Hannover 2008 sein Ende fand. Beklagenswert ist es aber allemal. Während der beiden folgenden Jahre, der Zeit seiner Abwicklung, wurde „Nachwuchsforscher_innen“ der Universität im Rahmen einer „autonomen Vorlesungsreihe“ zur „Geschlechter(verhältnis)forschung“ immerhin noch einmal Gelegenheit gegeben, die Ergebnisse ihrer Magistra-, Bachelor- und Diplomarbeiten im Rahmen einer „autonomen Vorlesungsreihe vorzutragen. Elf der Vorträge wurden verschriftlicht und von Susanne Boehm und Friederike Kämpfe in einem Sammelband mit dem Titel „Anecken und Weiterdenken“ herausgegeben.

Die Beiträge decken ein breites Spektrum der Gender-Forschung ab. Eröffnet wird der Band mit einem Rückblick auf die „Geschichte der Gender Studies Hannover“ von Sebastian Winter. Ihm folgen zunächst die beiden Beiträge der Herausgeberinnen. Friederike Kämpfe begutachtet „Geschlechtsbezogene Pädagogik in Gedenkstätten“, während Susanne Boehm sich den „Anfängen des Feminist Women’s Health“ in den USA widmet. Die folgenden Texte fächern das Spektrum der Genderforschung weiter auf: Rüdiger Otte geht „Aspekten des Geschlechterverhältnisses in den Gewerkschaften an“, stellt die „Unsichtbarkeit unbezahlter Hausarbeit“ ins Licht und Claudia Froböse berichtet über „aktuelle Debatten“ zu „sexualisierter Belästigung in Ägypten“. Ebenfalls nach Afrika begibt sich Eva Vojinovic mit ihrem Beitrag „Zur Konstruktion der ‚weiblichen Zuverlässigkeit‘ in der Entwicklungszusammenarbeit“ am Beispiel des „Mikrofinanzsektors in Nairobi“. Eva Maus nimmt unter dem Titel „Von abwesenden Muggelvätern und fürsorglichen Hexenmüttern“ hingegen das „Geschlechterforschen in der Literaturwissenschaft“ in den Blick. Anna Hartmann zeichnet den feministischen „Kampf um Sichtbarkeit und Aufhebung patriarchaler Ausbeutung“ nach und das Autorinnenpaar Lisa Kellermann und Lisa Yashodara Haller fühlt den „Erklärungsmustern und der Bedeutung geschlechtsspezifischer Grenzziehungen“ für die „Brüche zwischen Einstellung und Umsetzung der familialen Arbeitsteilung“ auf den Zahn.

Wissenschaftlich und sprachlich bewegen sich die Beiträge ungeachtet einiger qualitativer Unterschiede insgesamt auf einem Niveau, wie man es von Abschlussarbeiten der genannten Qualifikationsstufen erwarten darf.

R.L.

Titelbild

Susanne Boehm / Friederike Kämpfe (Hg.): Anecken und weiterdenken. Aktuelle Beiträge zur Geschlechterforschung.
Argument Verlag, Hamburg 2013.
206 Seiten, 17,00 EUR.
ISBN-13: 9783886193578

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