Adelsforschung interdisziplinär – ein Sammelband zum Aristokratismus in der Moderne

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Länger noch als die soziale Formation des Adels überlebte ‚das Aristokratische‘ als Element kulturellen Wissens, konkret: als Zuschreibung unhinterfragbarer Auszeichnung – in manchen Denkfiguren im Grunde bis heute. Denn während der Geburtsadel seit 1945 weitgehend an den Rand unserer Wahrnehmung gerückt ist, erhalten sich die Semantiken des Aristokratischen bis heute, sei es mit dem depressiven Dandy der Popkultur oder mit dem von Pierre Bourdieu so genannten „Staatsadel“, also der sich quasi-geburtsständisch immer wieder aus sich selbst rekrutierenden Verwaltungselite Frankreichs.

Der Band zeichnet aus geschichtswissenschaftlicher und aus literaturwissenschaftlicher Sicht Spuren des Adels und des Aristokratismus in der Klassischen Moderne zwischen 1890 und 1945 nach und überschreitet methodisch die Grenzen von Politik-, Begriffs-, Sozial-, Ideen- und Kulturgeschichte. Zwar stehen immer wieder Neuadelskonzepte in einem engeren Sinn im Mittelpunkt – von Friedrich Nietzsche über die nationalkonservativen Strömungen bis hin zur SS –, doch gelten mehrere Beiträge einem metaphorischen Begriffsgebrauch in der Selbstzuschreibung von Exklusivität im literarischen Feld. Somit liegt erstmals ein Forschungsbeitrag zur Adelsgeschichte in der Moderne und zur Modernität von Adelskonzepten vor, der mehrere fachliche und methodische Perspektiven in sich vereint.

J. St.

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Titelbild

Eckart Conze / Jörg Schuster / Jochen Strobel / Wenke Meteling (Hg.): Aristokratismus und Moderne. Adel als politisches und kulturelles Konzept 1890-1945.
Böhlau Verlag, Köln 2013.
385 Seiten, 46,90 EUR.
ISBN-13: 9783412210076

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