Der Mythos Robin Hood

Andrew James Johnston begibt sich auf die Spur einer Legende

Von Jutta LadwigRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jutta Ladwig

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In zahlreichen Filmen, Fernsehserien und Theaterstücken treibt Robin Hood sein Unwesen. Unser Bild des Helden ist hauptsächlich geprägt von der Legende, die ihn als Streiter für das Gute darstellt, der den Reichen nahm und den Armen gab. Meist trug er grüne Kleidung, die ihn im Sherwood Forest vor den Augen seiner Verfolger tarnte. Als meisterlicher Bogenschütze gewann er jedes Turnier – auch wenn er damit das Risiko einging, dass seine Tarnung aufflog. Seine Mannen, darunter Little John und Bruder Tuck, standen ihm treu zur Seite, und die Damenwelt, insbesondere Maid Marian, lag ihm zu Füßen.

Was davon allerdings wahr ist und woher die Legende des englischen Wohltäters stammt, stellt die Forschung noch immer vor ein großes Rätsel. Der Berliner Professor für englische Philologie Andrew James Johnston versucht sich in der vorliegenden Publikation dem Phänomen Robin Hood zu nähern. In einem umfassenden Forschungsüberblick geht er auf die Quellen ein, die über den ehrenwerten Abenteurer vorliegen. So ermöglicht er dem Leser einen Streifzug durch Literatur, Geschichte und die zahlreichen Adaptionen fürs Kino und das Fernsehen.

Von Robin Hood-Spielen zu Helden in Strumpfhosen

Wer war Robin Hood? Einen Mann mit exakt diesem Namen gibt es nicht in den Chroniken, wohl aber ein paar Männer, die nicht nur im Namen, sondern auch im Verhalten dem Mythos nahe kommen. Andrew James Johnston geht auf seiner Suche nach dem ,echten Robin Hood‘ auf die sogenannten Robin Hood-Spiele des Mittelalters ein, die am Anfang der Legendenbildung stehen. Dann leitet er über zu einer kulturgeschichtliche Analyse der überlieferten Robin Hood-Balladen, widmet sich der Entwicklung der Legende bis ins 20. Jahrhundert.

Bei den Verfilmungen geht Johnston etwas tiefer ins Detail. Der Film „Robin und Marian“ aus dem Jahr 1976 wird auf ein linkes Bild des sagenumwobenen Helden hin interpretiert, während die Robin Hood-Filme der letzten Jahre ein gänzlich anderes Bild auf Robin Hood wirft, dass sich von der Legende zu entfernen scheint. Johnston nennt dies ein „Unbehagen an der Legende“ und kommt zu einem allgemeinen Fazit: Robin Hood ist und bleibt ein Geheimnis. Je mehr man sich mit der Legende befasst, umso schwammiger und undurchsichtiger wird das Bild des Helden von Sherwood Forest.

Das „Gesamtkunstwerk“ Robin Hood

Andrew James Johnston gelingt es, die Fakten um Robin Hood unterhaltsam und interessant aufzuarbeiten. Die Leser können seinen Ausführungen mühelos folgen und erhalten einen umfassenden Blick auf die Legende, wie diese im Laufe der Zeit rezipiert wurde und wie sie bis heute verstanden wird.

Einzig seine Ausführungen zu den aktuellen Robin Hood-Verfilmungen gehen über den sonst sachlichen Stil hinaus. Seine Kritik an Ridley Scotts Film „Robin Hood“ aus dem Jahr 2010 wirkt stark subjektiv und mehr auf das filmische Handwerk des Regisseurs ausgerichtet, als auf das Thema Robin Hood selbst. Zwar sind sich viele Filmkritiker einig, dass das Drehbuch gewisse Schwächen in Bezug auf Handlung, Logik und den auftretenden Personen aufweist. Was die Legende von Robin Hood angeht, so wählt der Regisseur einen anderen Weg als seine Vorgänger und schält bestimmte Elemente heraus, um diese in ein historisch realistischeres Bild zu packen. Wie und ob ihm das gelingt, bleibt im Kontext dieses Buchs jedoch dahingestellt. Allerdings zeigt dieser Film vor allem eins: Genaues von Robin Hood weiß man nicht, sein Bild bleibt verschwommen. Die unterschiedlichen Variationen der Legende sind Abbilder ihrer Zeit, die dem Helden von Sherwood Forest immer wieder ein neues Gesicht und ein neues Ziel verleihen. Und vielleicht ist Ridley Scotts Film genau das – ein Versuch, den Mythos Robin Hood greifbarer, realistischer zu machen. Angesichts der mangelnden Faktenlage ein durchaus gerechtfertigter Kunstgriff.

Titelbild

Andrew James Johnston: Robin Hood. Geschichte einer Legende.
Verlag C.H.Beck, München 2013.
128 Seiten, 8,95 EUR.
ISBN-13: 9783406645419

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