Die Unübersetzbarkeit der Marke

Susanne Kauls und Jean-Pierre Palmiers Tarantino-Buch erklärt den filmischen Erfolg

Von Michael BraunRSS-Newsfeed neuer Artikel von Michael Braun

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wenn sich der Kultstatus aus einem Grad an Aufmerksamkeit ergibt, der die Bedürfnisse des Massenpublikums mit einem gewissen Maß an ästhetischer Qualität versöhnt, dann ist der 1963 in Knoxville geborene Quentin Tarantino ein Kultregisseur. Sein Name funktioniert längst als Marke im Filmbetrieb, seine Filme müssen nicht einmal (zumindest nicht ins Deutsche) übersetzt werden. Der Erzählstil mit rituellen Stilmitteln wie Mexican Stand-offs, Trunk Shots, Two-Shots wird „tarantinoesk“ genannt. So etwas bietet Tarantino Bewunderern wie auch den Kulturwissenschaftlern natürlich reichlich Stoff.

Hier setzt der von Susanne Kaul und Jean-Pierre Palmier verfasste Band über Tarantinos Ästhetik an. Die Autoren wollen erklären, was an Tarantinos Filmen so faszinierend ist. Dieser Versuch ist als filmanalytische Standardeinführung geglückt. Und auch als überblicksartige Darstellung erfüllt er seinen Zweck, weil neben den Regie-Filmen die Drehbücher berücksichtigt werden, die Tarantino geschrieben hat („True Romance“, „Natural Born Killers“, „From Dusk till Dawn“), wie auch seine Regiearbeit in der TV-Krankenhausserie „Emergency Room“ (1995) oder der Krimiserie „CSI: Crime Scene Investigation“ (2005).

Die Filme von „Reservoir Dogs“ (1992) über „Pulp Fiction“ (1994), „Jackie Brown“ (1997), „Kill Bill Vol. 1“ und „Kill Bill Vol. 2“ (2003 und 2004), „Death Proof“ (2007) bis zu „Inglourious Basterds“ (2009) und „Django Unchained“ (2012) werden in einzelnen Kapiteln vorgestellt. Dabei triumphieren Inhalt und Form über den mediengeschichtlichen Kontext der Produktion und Rezeption. Das ist schade, weil dabei die Positionierung von „Inglourious Basterds“ in den Debatten um Gedächtniskultur und „Memory Contests“ (Anne Fuchs) untergeht oder das Verhängnis einer von Wagner herkommenden Spätromantik in „Django Unchained“ unterschätzt wird.

Das Verdienst des Buches von Kaul und Palmier ist es, die Erzählästhetik Tarantinos zu beschreiben, ohne ihn vorschnell in den Klassikerhimmel zu loben oder kritisch in die „Pulp-Fiction“-Ecke zu stellen. Gerade dieser wohl bekannteste und am meisten zitierte Tarantino-Film zeigt, wie geschickt der Regisseur seine vermeintlichen Konzessionen an die Kult-Erwartungen des Publikums dekonstruiert, indem er erzählerische Stilmittel wie hybride Dialoge, Selbstreferentialität und „auffällige Schnitt- und Materialfehler“ (zum Beispiel in dem slasher- und car chase-Film „Death Proof“) einsetzt, um „die Komik, die Spannung und das Spielerische“ seiner Filme zu begründen. Das geschieht metafiktional auch im Spiel mit den Genres von crime fiction und short cuts: Tarantinos Einsatz der verschiedenen pulp-Elemente mache „Pulp Fiction“ „zu dem Gegenteil von pulp: zu einem ästhetisch originellen Film, der das Handwerk des Regisseurs betont“.

Zu Recht würdigt dieses Buch Tarantinos dramaturgische Arbeit an Bild und Wort. Ist Tarantino doch mit Oscars für Pulp Fiction und Django Unchained als einer der kreativsten Drehbuchschreiber anerkannt, der sich darauf versteht (um Hitchcock zu paraphrasieren): to make words move for the camera. Und das ist alle Aufmerksamkeit wert.

Titelbild

Susanne Kaul / Jean-Pierre Palmier: Quentin Tarantino. Einführung in seine Filme und Filmästhetik.
Wilhelm Fink Verlag, München 2013.
162 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783770552764

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