Hinter den Kulissen der Macht

Mit „Ich träumte von Elefanten“ hat Ivica Djikic einen brisanten, spannenden und raffiniert erzählten Politthriller vorgelegt

Von Dietmar JacobsenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Dietmar Jacobsen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Zwei Elefanten leben auf der Adriainsel des in  Ivica Djikićs Roman „Ich träumte von Elefanten“ namenlos bleibenden kroatischen Präsidenten – vom 30. Mai 1991 bis zu seinem Tod am 10. Dezember 1999 regierte Franjo Tuđman den seit Mitte 1991 unabhängigen Balkanstaat. Als Geschenk für den Vorgänger des Staatsoberhaupts waren die Tiere vor langer Zeit aus Indien nach Jugoslawien gekommen. Für eine der Figuren des Romans – den zu einer zum persönlichen Schutz des Präsidenten bestellten Armeeeinheit gehörenden Andrija Sučić – werden sie, die die meiste Zeit traurig und teilnahmslos wirken, zum Symbol für sein eigenes Dasein und das seiner Kameraden. Noch traumatisiert von den Gräueln der Kriege zwischen den auseinanderdriftenden Ländern Ex-Jugoslawiens, sollen sich die Männer plötzlich in einer Normalität zurechtfinden, in der es nicht mehr um das tägliche Überleben geht, sondern trist-monotone Aufgaben zu bewältigen sind. Die Folge ist eine gesteigerte Aggressivität, die sich, da kein Feind ihnen mehr gegenübersteht, an den unschuldigen Dickhäutern entlädt. Bis diese zurückschlagen und sich ausgerechnet Sučić zum Opfer wählen.

Diese Geschichte, erzählt von dem Mann, den der Angriff des Elefantenbullen Sony fast das Leben kostet und der sich nach dem gewaltsamen Tod dieses Tieres so aufopfernd um dessen Gefährtin Lanka kümmert, als arbeite er damit eine tiefe Schuld ab, bildet einen von drei Erzählsträngen, die Ivica Djikić in seinem zweiten Roman miteinander verbindet. Erzählt wird sie übrigens von einem Andrija Sučić, der den Leser gleich zu Beginn davon in Kenntnis setzt, dass er bereits tot ist, erschossen auf der Schwelle seines Hauses von ehemaligen Kampfgefährten, denen sein Mitteilungsdrang über das, was in einem Kriege geschah, der in der offiziellen Lesart ein heldenhafter Verteidigungskampf zum Schutze der kroatischen Heimat war, zu weit geht.

Während man mit Sučić also noch einmal in die Zeit unmittelbar  nach den kriegerischen Auseinandersetzungen auf dem Balkan zurückschaut, nimmt sich der zweite Erzählstrang die letzten Monate vor dem Tod des Präsidenten vor. Zeitlich setzt die Handlung hier am 17. Oktober 1999 ein, an dem der illegitime Sohn Sučićs, Boško Krstanović, von der Ermordung des Vaters hört und beschließt, sich in die Ermittlungen einzuschalten. Der mit der Bekämpfung der organisierten Kriminalität beauftragte Angehörige des nationalen Sicherheitsdienstes erfüllt damit mehr als nur eine Sohnespflicht an dem Mann, den er nie kennenlernte und der gar nichts von der Existenz dieses Kindes wusste. Boško geht es darüber hinaus vor allem darum, einen Schritt zu machen hin zur Abteilung für politische Verbrechen, wo er seine Talente besser aufgehoben sieht und sich vor allem engagierter für sein Land einzusetzen hofft, dem er voller Idealismus anhängt.

Über Boškos Geliebte, die Staatsanwältin Mara Ištuk, schließlich wird die Verbindung zum dritten und letzten Erzählstrang hergestellt. Mit ihm taucht man zeitlich am weitesten in die Vergangenheit des Landes ein. Drei Personen, denen die Staatsanwältin besessen nachjagt, weil sämtliche Spuren des organisierten Verbrechens auf sie zulaufen, stehen hier im Mittelpunkt. Im komplizierten Auf und Ab von deren Beziehungen zueinander spiegelt sich zugleich die Verflechtung von staatlicher und krimineller Gewalt, die nicht erst in den Jahren nach der osteuropäischen Wende von 1989/ 90 ihren Anfang nahm, sondern bis in jene Zeiten zurückreicht, in denen sich der jugoslawische Geheimdienst mit Hilfe von angeworbenen informellen Mitarbeitern Zugang zur Gastarbeiter- und Dissidentenszene im westlichen Ausland zu verschaffen wusste

Ein Mann, der vom Kriege psychisch versehrt wurde, fängt an auszupacken, um sich selbst von Schuld zu befreien und einem gequälten Tier zu helfen; ein Idealist, voller guter Vorsätze und nur das Beste für sein Land im Sinn, muss feststellen, dass niemand an seinen Erkenntnissen interesssiert ist; alte und neue Machthaber samt dem Klüngel aus Wirtschaft, Justiz, Polizei und Militär, der mit ihnen nach oben gespült wurde und von ihrer Macht profitiert, tun alles, um die Fäden in Politik und Gesellschaft nicht aus den Händen geben zu müssen. In Ivica Djikićs Roman „Ich träumte von Elefanten“ werden die vielen Verbindungslinien sichtbar gemacht, die vom neuen, demokratischen Kroatien, das seit Mitte dieses Jahres EU-Mitglied ist, noch zurückreichen in die Zeiten des diktatorischen Vielvölkerstaats Jugoslawien. Vor allem die Verflechtung zwischen organisiertem Verbrechen, Politik und Militär, die Hand in Hand beim Aufbau des neuen Staates wirkten, rückt dabei in den Mittelpunkt. Dass die unheilvolle Vergangenheit noch lange nicht bewältigt ist, müssen Djikićs Protagonisten früh erkennen. Doch auch Boško Krstanović und Mara Ištuk erweisen sich letztendlich von dem allseits herrschenden Misstrauen angesteckt und riskieren damit ihre Liebe.

Djikić , lange Zeit als Journalist für kroatische Tageszeitungen und Wochenblätter tätig, hat einen raffiniert gebauten Politthrilller vorgelegt, der hinter die Kulissen des Kroatiens unserer Tage schaut, mit Legenden aufräumt und überall in der Gegenwart des neuen Staats auf Spuren der Vergangenheit stößt. Das Buch endet mit dem Tod des Präsidenten 1999. Doch die ihn zu Grabe tragen, hochgestimmte Hymnen zu seinem Gedächtnis anstimmen und heimlich schon die Posten im nächsten Kabinett verteilen, sind immer noch jene, die letztlich auch für den Tod von Boškos Vater die Verantwortung tragen. Für jene, denen die Zukunft Kroatiens wirklich am Herzen liegt, gibt es also noch viel zu tun.

Titelbild

Ivica Djikic: Ich träumte von Elefanten. Roman.
Übersetzt aus dem Kroatischen von Patrik Alac.
Verlag Antje Kunstmann, München 2013.
250 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783888978609

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