Tödliche Reise mit Qigong

Zu Tom Eppersons Thriller „Hyänen“

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Tom Epperson erfreut  den Leser mit einem echten Pageturner. Das Ausgangsszenario ist eindeutig: Eine Frau – Gina – heiratet den falschen Mann. Er ist Mitglied einer Mafiafamilie, misshandelt die Frau und ihren Sohn Luke. Sie kooperiert mit der Polizei, lässt ihren Mann abhören und kommt in das Zeugenschutzprogramm. Nachdem der Prozess vorbei ist, wird sie in die Provinz abgeschoben. Ihr Ehemann Joey ist im Gefängnis, sie ist mit ihrem Sohn untergetaucht. Als der US-Marshall, der sie im Zeugenschutz betreut, sie töten will, um an die von ihrem Mann unterschlagenen Diamanten zu gelangen, als der Großvater des Jungen, ein alter Mafiaboss, seinen Enkel entführen lassen will, wird es brenzlig für Gina und Luke. Beide fliehen Hals über Kopf aus der Provinz ins Nirgendwo. Sie versuchen unsichtbar zu werden, was ihnen allerdings nur unzulänglich gelingt, da der US-Marshall einen Peilsender an ihrem Auto angebracht hat.

Mehrere Auftragsmörder verfolgen Gina und Luke. Beide begegnen in einem drittklassigen Motel an der kalifornischen Küste Gray, einem gestrandeten Ex-Söldner, der den beiden Flüchtlingen beim Reifenwechsel hilft. Das Zusammentreffen scheint für die beiden Gejagten einen Ausweg zu bieten. Gray freundet sich mit Luke ebenso an wie mit seiner Mutter Gina. Das Problem, mit dem sich jetzt Gray konfrontiert sieht, schildert Gina, in die er sich nach und nach verliebt, treffend so: „Ich habe einen Kerl namens Joey Cicala geheiratet, der zu einer großen Mafiafamilie in New York gehört. Er hat sich dann als richtiges Arschloch entpuppt, erst mich und dann auch Luke geschlagen. Sagte, er bringt mich um, wenn ich ihn verlasse. Und das war kein Witz. Mir war klar, dass Luke und ich nur dann entkommen können, wenn er im Knast sitzt. Also ist er da gelandet.“ Die Folgen ihres Engagements gegen ihren Ehemann stehen vor ihrer Appartementtür. Ein Killer will sie umbringen, kann aber abgewehrt werden. Weitere Auftragsmörder sind hinter Gina und ihrem Sohn her. Was sich ihnen in den Weg stellt, wird „beiseite geräumt“: „Die erste Kugel warf ihn um, aber sie tötete ihn nicht und machte ihn auch nicht bewusstlos. Er fiel wie ein Marionette, der man die Fäden durchgeschnitten hat, und sah den Teppich plötzlich aus der Froschperspektive. Dann jagte der Mann ihm zwei Kugeln ins Gehirn.“

Sie sind auf der Flucht. Ginas Sohn Luke beschreibt die ganze Situation: „Wann halten wir endlich an? Warum müssen wir immer weiter fahren? Wo fahren wir hin?“ Tom Epperson, in seiner schriftstellerischen Arbeit durch das Verfassen von Drehbüchern und Filmskripten an eine handwerklich geschulte Dramatik gewohnt, baut über vierhundert Seiten Spannung auf, lässt den Leser nicht zur Ruhe kommen, gestaltet interessante Charaktere und kümmert sich charmant um die Geschichten und Lebensläufe seiner Protagonisten. Eine kurzweilige Lektüre steht dem Leser bevor, Verfolgungsjagden, schnelle Schnitte in der Szenenabfolge und unterhaltsame Dialoge. Alles in einer ordentlichen Übersetzung und sorgfältig vom Verlag betreut, was bei Kriminalliteratur heutzutage nicht mehr selbstverständlich ist. Eppersons „Hyänen“ empfiehlt man gerne weiter, denn wo sind schon sechs motivierte Auftragsmörder hinter einem sich geschickt und tänzerisch bewegenden Ziel her?

Titelbild

Tom Epperson: Hyänen. Thriller.
Rowohlt Verlag, Reinbek 2012.
412 Seiten, 9,99 EUR.
ISBN-13: 9783499258664

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