Die feministische Revolte und ihre biografische Dimension

Morvarid Dehnavi analysiert und interpretiert, was Aktivistinnen des Frankfurter Weiberrates ihr erzählten

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Zahl der Bücher zur historischen Frauenbewegung um 1900 ist wohl fast schon Legion. Seit einigen Jahren nehmen sich WissenschaftlerInnen aber auch zunehmend der Neuen Frauenbewegung der 1970er-Jahre an. Nicht nur HistorikerInnen sind an einschlägigen Forschungsarbeiten beteiligt. Eine der herausragendsten Publikationen zum Thema, eine geradezu monumentale Quellensammlung, wurde etwa von der Soziologin Ilse Lenz verfasst. Hinzu tritt die eine oder andere einstige Aktivistin mit einem erinnernden Rückblick auf die ‚Lila Latzhosen‘. Auch Ute Kätzel interessierte sich vor einem guten Jahrzehnt für die biografische Dimension der Frauenbewegung – genauer gesagt, für deren studentische Genese – und stellte eine Reihe 68erinnen vor.

Zuletzt befasste sich Morvarid Dehnavi in ihrer Qualifikationspublikation „Das politisierte Geschlecht“ mit „biographischen Wegen zum Studentinnenprotest von ‚1968‘ und zur Neuen Frauenbewegung“. Dabei fokussiert sie ganz auf den damaligen „Frankfurter Weiberrat“ und auf das „Frankfurter Frauenzentrum“ der Zeit. Um die biografischen Hintergründe dafür auszuleuchten, dass sich Studentinnen „zusammenschlossen und politischen Aktivitäten nachgingen und mit ihren Aktivitäten das Thema Geschlecht und Geschlechterverhältnisse zu einem Politikum machten“, hat sie mit zehn der damaligen Aktivistinnen „biographisch-narrative Interviews“ geführt. Darüber hinaus richtete sie ein besonderes Augenmerk auf die Bedeutung der „Universität als Ort polischer Sozialisation“ der Frauen.

Bevor es jedoch so weit ist, stellt Dehnavi in den ersten beiden größeren Abschnitten weitschweifig den methodischen Ansatz und theoretischen Rahmen ihrer Untersuchung vor, was in Qualifikationsarbeiten nicht eben unüblich, sondern geradezu erforderlich ist. Erst in den abschließenden Kapiteln geht sie in medias res.

Kurz: Dehnavis Dissertation weist alle typischen Merkmale einer Qualifikationsarbeit auf, inklusive der diesen üblicherweise innewohnenden Stärken, die insbesondere darin bestehen, die Erkenntnisse auf einem, wie hier, nicht selten sehr speziellen Gebiet voranzubringen. Doch kennzeichnen sie eben auch die noch weit verbreiteteren – nicht eben lesefreundlichen – Schwächen solcher Arbeiten, die sich etwa in dem biederen Aufbau und dem uninspirierten, ja drögen und bisweilen ebenso angestrengten Wissenschaftsjargon niederschlagen.

Eine solche Lektüre wird sich niemand antun wollen, der nicht aufgrund eigener Forschungstätigkeit dazu genötigt ist. In den Bibliotheken der Frauenbewegung darf das Buch selbstredend dennoch nicht fehlen.

Titelbild

Morvarid Dehnavi: Das politisierte Geschlecht. Biographische Wege zum Studentinnenprotest von "1968" und zur Neuen Frauenbewegung.
Transcript Verlag, Bielefeld 2013.
406 Seiten, 34,90 EUR.
ISBN-13: 9783837624106

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