Trügerische Dorfidylle

Carolin Schairer mixt in „Wir werden niemals darüber reden“ einen hochexplosiven Cocktail an Straftaten zu einem spannenden Kriminalroman

Von Barbara TumfartRSS-Newsfeed neuer Artikel von Barbara Tumfart

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Geschwisterpaar Jan und Isabell wird von seinem verzweifelten Vater nach dem Freitod der psychisch labilen Mutter zu den mütterlichen Großeltern auf deren Bauernhof in der ländlichen Provinz untergebracht. Anfangs von den Eltern der Mutter abgelehnt, beginnen die zwei Kinder sich zusehends in die fremde und ungewohnte Umgebung einzuleben. Sie schließen Bekanntschaft mit den zwei Töchtern des herrischen und despotischen Gutsherrn der Nachbarschaft, dem sowohl der Bauernhof als auch das wirtschaftlich bedeutende Sägewerk der Region gehört. Die 13jährige Isabell freundet sich mit der tatkräftigen Victoria an, schreibt mit ihr gemeinsam Geschichten, vergöttert das ältere Mädchen und wird ihr zusehends hörig. Der 18jährige Jan verliebt sich heftig in Vanessa.

Zwanzig Jahre vergehen und der Leser wird in die Gegenwart der Geschwister katapultiert. Die mittlerweile 30jährige Isabell ist nach wie vor durch den Freitod der Mutter traumatisiert, hat Alpträume, Panikattacken und Probleme in ihren sozialen Kontakten. Jan avancierte mittlerweile zu einem ehrgeizigen erfolgreichen Kardiologen, ist verheiratet, Vater von zwei Kindern und pflegt während seiner häufigen Dienstreisen eine Fülle von amourösen Abenteuern.

Durch den Tod der mütterlichen Großmutter sehen sich die Beiden nun plötzlich gezwungen, auf den Bauernhof zurückzukehren und müssen sich der Vergangenheit stellen. Nach und nach werden dem Leser die schrecklichen Ereignisse jenes Sommers offenbart. Ein grausiger Fund alarmiert schließlich auch die Polizei, welche mehr oder weniger erfolgreich versucht, die lang zurückliegenden Vorgänge von einst aufzurollen.

Schairer gelingt mit ihrem Krimidebüt ein lesenswerter, spannender Spagat zwischen Familientragödie, Psychodrama und unterhaltsamen Krimi, der den gefesselten Leser auf den rund 300 Seiten unaufhörlich in Atem hält. Realistisch gezeichnete, glaubwürdige Charaktere agieren inmitten einer vermeintlich idyllischen Dorfgemeinschaft, in der Recht und Moral durch Standeszugehörigkeit und Allmacht des Geldes außer Kraft gesetzt werden. Die dichte Atmosphäre offenbart schauerliche Einblicke in eine Art familiäres Gruselkabinett und die Kriminalgeschichte entwickelt sich zusehends zum packenden Thriller mit Tiefgang. Ein Buch, das die Tatsache, dass die meisten Verbrechen innerhalb des Familienverbandes passieren, einmal mehr glaubwürdig beleuchtet.

Carolin Schairer: Wir werden niemals darüber reden. Kriminalroman.

Titelbild

Carolin Schairer: Wir werden niemals darüber reden. Kriminalroman.
Ulrike Helmer Verlag, Sulzbach/Taunus 2013.
315 Seiten, 17,95 EUR.
ISBN-13: 9783897413474

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch