Einladung zu Glauser

Die autobiografischen Erzählungen Friedrich Glausers in einer neuen Edition

Von Martin IngenfeldRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Ingenfeld

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Friedrich Glauser wurde von seinem autoritären Vater in einem reformpädagogischen Internat am Bodensee untergebracht. Später stand er in Kontakt mit der Dada-Bewegung und, nach einer ersten Drogentherapie, auch mit der Kolonie vom Monte Verità. Mit der Fremdenlegion kam er nach Nordafrika, schließlich arbeitete er in Paris und in einem belgischen Kohlebergwerk. Diese Episoden aus Glausers Leben stellt der Zürcher Limmat Verlag in einem schmalen Band mit autobiografisch geprägten Erzählungen des Schweizer Autors vor: „Dada und andere Erinnerungen aus seinem Leben“. Trotz der Beachtung, welche Glausers Erzählungen dank der von Bernhard Echte und Manfred Papst in den 1990er-Jahren besorgten umfassenden Ausgabe gefunden haben, stehen sie durchaus zu Unrecht immer noch im Schatten seiner bekannteren Romane. Bei den hier versammelten sechs Erzählungen handelt es sich um Texte, die Glauser in seinem vierten Lebensjahrzehnt verfasste und die – mit einer Ausnahme – zwischen 1931 und 1934 im „Schweizer Spiegel“ veröffentlicht wurden, nur wenige Jahre vor seinem frühen Tod am 8. Dezember 1938.

Diese Erzählungen bleiben allerdings nicht auf den Bericht autobiografisch gefärbter Erinnerungen beschränkt. Aus der räumlichen und zeitlichen Distanz reflektiert Glauser darin auch kritisch über sein eigenes Handeln und über die sozialen Umstände, in denen er sich bewegte. Etwa konstatiert er das Scheitern der Landerziehungsheime, in denen der wohlhabende Mittelstand in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg seine schwererziehbaren Söhne unterzubringen pflegte, wodurch allerdings deren Eigensinn nur stärker austrieb und sie weniger der folgenden Zeit – so Glauser retrospektiv – gewachsen gewesen seien. Der Leser begegnet auch bekannten Namen, nicht zuletzt in Glausers Erinnerungen an seine Züricher Dada-Periode, da er zu Dadaisten wie Emmy Hennings und Hugo Ball eine enge Freundschaft pflegte. Und der Leser lernt  Glausers Auge für soziale Verhältnisse schätzen, das etwa die Lebensumstände im wallonischen Bergbaurevier oder auch die zehrende Langeweile der Fremdenlegion schildert. Schließlich fehlen auch intime Details nicht, wie in der Erzählung „Unten“, die der „Schweizer Spiegel“ nicht abdrucken wollte, weil sie „zu persönlich“ sei. Glauser schreibt darin über seine Rückkehr nach Europa im Anschluss an seine Entlassung aus der Fremdenlegion, seine Schwierigkeiten, sich wieder einem regulären Erwerbsleben zu unterwerfen, seine Angst, die ihn unklar begleitet, und letztlich sein Scheitern, in Paris neu Fuß zu fassen.

Es ist sehr erfreulich, dass sich der Limmat Verlag in dieser eleganten Edition seinem Autor Friedrich Glauser auch nach Auslaufen der urheberrechtlichen Schutzfrist mit großer Zuneigung widmet. Erwähnenswert sind da nicht zuletzt die mit Ausschnitten aus den Glauser-Schabkarton-Zeichnungen von Hannes Binder illustrierten Vorsatzblätter des Bändchens. Glauser-Freunden und allen Lesern, die dessen erzählerisches Werk gern kennenlernen würden, seien dieser Band und seine vier Geschwister mit autobiografischen Erzählungen Glausers – „Der Kleine“, „Der Hellseherkorporal“, „Beichte in der Nacht“ und „Ich bin ein Dieb“ – sehr ans Herz gelegt.

Titelbild

Friedrich Glauser: Dada. und andere Erinnerungen aus seinem Leben.
Limmat Verlag, Zürich 2013.
128 Seiten, 19,80 EUR.
ISBN-13: 9783857917028

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