Blut geleckt

Donald Ray Pollocks Kurzgeschichten-Debüt „Knockemstiff“

Von Simone Sauer-KretschmerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Simone Sauer-Kretschmer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die erste Erzählung in „Knockemstiff“ trägt den Titel „Das wahre Leben“ und erzählt von dem Moment, in dem ein Vater zum ersten (und letzten) Mal richtig stolz ist auf seinen Sohn: Während eines Besuchs im Autokino bringt er ihm bei, wie man einen Mann so stark verletzt, dass er mehr tot als lebendig, aber immer noch atmend zurückbleibt. Damit ist die Richtung vorgegeben, der alle hier versammelten Kurzgeschichten folgen: Knockemstiff in Ohio ist ein Ort, an dem die Väter Monster sind, es unentwegt nach verbranntem Fleisch aus der nahe gelegenen Fabrik riecht, die Haare der Frauen verfilzen und man sich des Nachts nach einem der legendären amerikanischen Serienkiller sehnt, der zum Aufräumen vorbeikommen möge. Obwohl sich ein Großteil des Lebens der Kleinstadtbewohner im Auto abspielt, führen spätestens am nächsten Morgen alle Wege erneut zurück nach Knockemstiff, wo die von der Nacht verbrauchten Mädchen wieder von der Rückbank kriechen. Der Gedanke an ein Entkommen aus alldem erscheint dabei beinah unmöglich, denn die Gegenwart auszuhalten ist Kraftakt genug.

Donald Ray Pollock versammelt in seinem literarischen Debüt Geschichten, die jeweils für sich allein schon großartig sind, die aber zusammengenommen eine mal eiskalte, ein andermal fiebrig heiße Atmosphäre der Beklemmung auslösen. Dabei montiert der Autor – dessen Biographie an Bukowski erinnert, während seine Literatur mit Faulkner verglichen wurde – verschiedene Zeitebenen über Jahrzehnte hinweg aneinander, lässt manchmal auch zweite Begegnungen mit Figuren zu, die zwischen gefrorenen Fischstäbchen, „The Love Boat“ und Bodybuilding festsitzen. Dem Leser gönnt Pollock dabei nur kurze Augenblicke von Menschlichkeit und Unschuld, die schnell wieder unter den unterschiedlichsten Formen von Bösartigkeit und Gewalt begraben werden. Knockemstiff, das ist das Flirren vor dem ersehnten Kollaps, der einfach nicht einsetzen will. Stattdessen geschieht, was immer geschieht: das wahre Leben, bis es irgendwann vorbei ist.

Titelbild

Donald Ray Pollock: Knockemstiff.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Peter Torberg.
Liebeskind Verlagsbuchhandlung, München 2013.
256 Seiten, 18,90 EUR.
ISBN-13: 9783954380145

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