Zweihundert Jahre tot

Andreas Platthaus’ Monographie über die Völkerschlacht 1813

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Andreas Platthaus hat ein detailliertes und kenntnisreiches Buch über das Jahr 1813, die Völkerschlacht und die Protagonisten dieses „Umbruchsereignisses“ verfasst. Er schreibt kleine Porträts der beteiligten Akteure und zeichnet damit eine Landkarte der Biographien der Personen, die für diese für das Jahr 1813 unvorstellbare Schlacht, für dieses Morden und die damit verbundenen Veränderungen in Europa verantwortlich waren. Und er skizziert die europäischen Wiederauferstehung Frankreichs aus den blutigen Auseinandersetzungen der Völkerschlacht. Aber hier ist man schon fast am Ende des Buches und hinter dem Leser liegen fast 200 Seiten abwechslungsreiche und spannende Beschreibungen eines kriegerischen Szenarios, das den Ereignissen durchaus gerecht zu werden scheint.

Vor zweihundert Jahren rückte im Herbst des Jahres 1813 eine europäische Gemeinschaft gegen ihren Widersacher aus, um sich gemeinsam gegen den Aggressor Napoleon zu wehren. Preußen, Russland, Österreich und einige kleinere Staaten hatten eine Allianz geschlossen und ließen ihre Truppen um Leipzig herum aufmarschieren. Die Heeresgruppen näherten sich von allen Seiten der Stadt und bis kurz vor Beginn der Schlacht blieben die Entscheidungen Napoleons unberechenbar. In das bekannte „Schlachtenerzählen“ verfällt Platthaus erfreulicherweise nicht. Er bleibt bei der präzisen Beschreibung der Verantwortlichkeiten. Er gibt den Personen hinter den Entscheidungen einen Charakter und macht klar, dass es sich schon 1813 um einen „modernen“ Krieg handelt. Was er unter einem modernen Krieg versteht, wird schnell deutlich. Nicht mehr die regierenden Herrscher führen vor Ort die Heere. Sie haben professionelle Fachleute engagiert, denen die operativen Aktivitäten vor Ort überlassen werden. Die Anwesenheit eines Herrschers auf dem Schlachtfeld wird zur Ausnahme. Platthaus rückt die Regierenden weit in den Hintergrund und verabschiedet sich von der konventionellen Militärgeschichtsschreibung.

Der historische Kontext ist wichtig. Die verantwortlichen Spezialisten in den Führungskadern der Heere werden biografisch gewürdigt und ihre Handlungsmotive beleuchtet. Platthaus legt auch ein Augenmerk auf die Entwicklung der Waffentechnik, etwa auf die im Jahr 1813 noch nicht vermutete Sondereinheit der ‚Rocketeers‘, eine englische Einheit, die sich mit dem direkten Angriff des Feindes mit Hilfe von Raketen beschäftigte. Und gerade die vielseitige Wahrnehmung der historischen, sozialen, individuellen und auch gesellschaftlichen Komponenten dieser militärischen Auseinandersetzung macht die Monografie zu einem abenteuerlichen Leseerlebnis, das an Spannung einem historischen Roman in nichts nachsteht. Es wird zur psychologischen Studie über unsere Welt und wenn Andreas Platthaus am Ende seines Buches seine Ortsbegehung des ehemaligen Schlachtfeldes beschreibt, dann ist der Leser plötzlich zusammen mit dem Autor mittendrin, wenn Vergangenheit zur Gegenwart wird. 1813 – großes Kino in Buchform. So muss ein Sachbuch sein.

Titelbild

Andreas Platthaus: 1813. Die Völkerschlacht und das Ende der alten Welt.
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2013.
480 Seiten, 24,95 EUR.
ISBN-13: 9783871347498

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