Selbstbegrenzung

Zu Neuauflage von Schumachers „small is beautiful“

Von Eckart LöhrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Eckart Löhr

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Als „small is Beautiful“ 1973 erschien, war der Autor dieses äußerst einflussreichen Buches bereits zweiundsechzig Jahre alt und es sollten ihm nur noch vier Jahre bleiben, seine Ideen durch viele Vorträge einem immer größer werdenden Publikum nahezubringen.

1977, im Jahr seines Todes, brachte der Rowohlt Verlag „small is Beautiful“ in Deutschland unter dem Titel „Die Rückkehr zum menschlichen Maß“ heraus. Dort ist es allerdings seit vielen Jahren vergriffen. Umso erfreulicher, dass jetzt im Münchner Oekom Verlag dieses Werk in neuer Auflage erschienen ist. Denn obwohl seit der ersten Ausgabe vierzig Jahre vergangen sind, haben seine zentralen Thesen nichts von ihrer Aktualität eingebüßt, was nur beweist, wie weit der Autor seiner Zeit voraus war. Schade nur, dass der Verlag die Chance der Neuauflage nicht genutzt hat, die alte, mit einigen Schwächen behaftete Übersetzung zu überarbeiten. Sei´s drum.

Ernst Friedrich Schumacher, von seinen Freunden kurz Fritz genannt, wurde 1911 in Bonn geboren und studierte ab 1929 Volkswirtschaftslehre in Bonn und Berlin. 1930 gewann er ein auf zwei Jahre befristetes Rhodes-Stipendium der Universität Oxford und setzte anschließend seine Studien an der Columbia University in New York fort. In diese Zeit fällt auch seine beginnende Freundschaft mit dem berühmten Ökonomen John Maynard Keynes, von dem er natürlich beeinflusst war, der aber seinerseits von Schumachers Ideen profitierte und sogar aus einem seiner bis dahin unveröffentlichten Aufsätze abschrieb. 1934 kehrte er für drei Jahre nach Deutschland zurück, um 1937 das Land nicht zuletzt auch aufgrund der politischen Situation in Richtung Großbritannien wieder zu verlassen. Nach dem Krieg arbeitete er noch einmal für einige Jahre in Deutschland und war dort maßgeblich am Wiederaufbau des Kohlebergbaus beteiligt, um sich ab 1950 endgültig in England niederzulassen. Dort war er zwanzig Jahre Wirtschaftsberater der britischen Kohlebehörde und bereiste in dieser Funktion besonders auch die Länder der sogenannten „Dritten Welt“. Diese dort gemachten Erfahrungen werden prägend für seine weitere intellektuelle Entwicklung sowie für die Ausarbeitung seiner Idee der „mittleren Technologie“ („intermediate technology“). Mitte der 1970er-Jahre, auf dem Höhepunkt seiner Popularität, hörten auf einer Vortragsreise durch die USA circa sechzigtausend Menschen seine Reden und der damalige Präsident Jimmy Carter empfing ihn noch kurz vor seinem Tod im Weißen Haus. Er starb sechsundsechzigjährig während einer Vortragsreise, wie könnte es anders sein, im Zug von Lausanne nach St. Moritz an einem Herzinfarkt.

Bei der Lektüre von „small is Beautiful“ stellen sich schnell zwei Gefühle ein: Erstaunen und Wut. Erstaunen darüber, wie aktuell dieses Buch auch nach vierzig Jahren noch ist, und Wut über die Tatsache, dass sich seitdem, trotz aller vorhandenen Informationen und guten Ideen, kaum etwas zum Besseren verändert hat – eher im Gegenteil. Schumacher wusste bereits Ende der 1960er-Jahre um die Gefahren der Atomkraft, hat nicht aufgehört, vor ihren negativen Folgen zu warnen und diesem Thema in „small is beautiful“ ein eigenes Kapitel gewidmet.

Sein Hauptinteresse galt aber der Technologie und ihrer Anwendung. Bereits im ersten Kapitel zeigt Schumacher – der selbst eine kleine Landwirtschaft betrieb –, dass das Problem der Produktion, wie vielfach behauptet wurde und wohl noch immer wird, nicht gelöst ist, da der Mensch nicht zwischen Kapital und Ertrag unterscheidet und somit nicht vermehrbare Güter wie Bodenschätze aller Art nicht in die Kalkulation einfließen. Schon damals favorisierte er ein nachhaltiges Wirtschaftssystem, das sorgsam mit dem Kapital, das heißt mit Bodenschätzen, menschlichen Ressourcen und den natürlichen Umwelttoleranzen, umgeht. Er erkennt bereits in aller Deutlichkeit, dass „die Weltvorräte an nicht-erneuerbaren Brennstoffen – Kohle, Öl und Erdgas – äußerst ungleichmäßig über den Erdball verteilt und in ihrer Menge begrenzt sind und damit klar ist, daß ihre immer raschere Ausbeutung eine Gewalttat gegen die Natur darstellt, die unvermeidlich zur Gewaltanwendung unter den Menschen führen muss.“

Im Zentrum seiner Kritik steht aber eine Technologie, die sich immer weiter vom Menschen und seinen Bedürfnissen entfernt hat, ihn von seiner Arbeit entfremdet und ihn jeglicher Muße beraubt. Dem setzt er die Idee einer „mittleren Technologie“ entgegen, die sowohl billig als auch für eine Anwendung im kleinen Rahmen geeignet ist und dem Bedürfnis des Menschen nach schöpferischem Tun gerecht wird. Ihm geht es vor allem um den sozialen Wert der Arbeit und weniger um die dabei produzierten Güter. Er möchte die „Massenproduktion durch die Produktion der Massen“ ersetzen, das heißt, er plädiert für die Freiheit kleiner produktiver Einheiten, die dabei in ein globales Ordnungssystem eingebettet sind. Denn „Menschen können nur in kleinen, überschaubaren Gruppen sie selbst sein. Wir müssen daher lernen, uns gegliederte Strukturen vorzustellen, innerhalb derer eine Vielzahl kleiner Einheiten ihren Platz behaupten kann. Wenn unser wirtschaftliches Denken das nicht erfasst, dann taugt es nichts.“ Mit diesen Ideen ist er sehr nahe an Ivan Illichs Begriff der „Konvivialität“, das bei dem in Wien geborenen Philosophen den autonomen und schöpferischen Umgang zwischen den Menschen sowie den Umgang von Menschen mit ihrer Umwelt bedeutet und damit ebenfalls eine Kritik an der industriellen Produktion mit einschließt.

An der Entwicklungshilfe seiner Zeit kritisierte er den Versuch hochmoderne Produktionsmethoden in Länder einzuführen, in denen das soziale und gesellschaftliche Umfeld für eine derartige Technologie gar nicht vorhanden ist und zeigt, dass die dortigen Probleme dadurch nicht gelöst, sondern im Gegenteil oftmals noch verschärft werden. Aus diesem Grund wollte Schumacher gerade in den Entwicklungs- und Schwellenländern seine „mittlere Technologie“ verwirklicht sehen. Diese erteilten seinen Vorschlägen allerdings eine klare Absage, da sie befürchteten, der Westen wolle sie mit dieser Art der Technologie kleinhalten, was natürlich ein fundamentales Missverstehen Schumachers wirklicher Absichten war.

Grundlegend für eine gesellschaftliche Veränderung ist für Schumacher darüber hinaus eine veränderte Bildungspolitik und damit ist er in Zeiten der „Bachelorisierung“ der Hochschulen aktueller denn je. Denn wirkliche Bildung ist für den in späten Jahren noch zum Katholizismus konvertierten Autor wertlos, wenn sie nicht auch metaphysische Aspekte mit einschließt. Er sieht ganz klar, dass die westlichen Gesellschaften an einer „metaphysischen Krankheit leiden, die daher nur metaphysisch geheilt werden kann“ und „eine Bildung, die unsere Hauptüberzeugungen nicht zu klären vermag, ist bloße Ausbildung oder eine Schwäche gegenüber uns selbst“. Er kritisiert damit nicht nur die Bildungseinrichtungen, sondern auch und in erster Linie die Wissenschaften, die ohne Klärung ihrer Voraussetzungen, die nicht selten selbst metaphysisch sind, gelehrt werden und somit häufig ebendiese Voraussetzungen „fälschlicherweise für ihre Resultate halten“. Er ist der festen Überzeugung, dass einer Veränderung der Gesellschaft eine metaphysische Erneuerung vorausgehen muss. An dieser Stelle zeigt sich spätestens der religiöse Aspekt seines Denkens, ohne den seine gesamte Kritik an den herrschen Verhältnissen unverständlich bleiben muss und der vielen Rezensenten seines Werkes entgangen ist, oder von ihnen wissentlich übergangen wurde.

Darüber hinaus ist Schumacher, was auch nur selten Beachtung gefunden hat, ein Begründer der holistischen Ethik, da er zeigt, dass die Natur auch unabhängig von uns über einen eigenen, intrinsischen Wert verfügt. Er schreibt, dass die Natur und die in ihr lebenden Geschöpfe „selbst die Ziele“, das heißt meta-wirtschaftlich sind, „und daher lässt sich die Formulierung der Tatsachenaussage von der Vernunft her rechtfertigen, dass sie in einem gewissen Sinne heilig sind. Der Mensch hat sie nicht gemacht, und es ist unvernünftig, solche Dinge, die er nicht gemacht hat, nicht machen und nicht neu erschaffen kann, wenn er sie verdorben hat, in derselben Weise und derselben Einstellung zu behandeln wie Dinge, die er selbst gemacht hat“.

Eine ganzheitliche Ethik, der Ausstieg aus der Wachstumsgesellschaft mit ihrem ungebremsten Ressourcenverbrauch, die Dezentralisierung der Produktion gepaart mit der Klärung beziehungsweise Erneuerung unserer metaphysischen Überzeugungen sind für Schumacher Grundvoraussetzungen einer überlebens- und zukunftsfähigen Gesellschaft.

Während Schumacher in den englischsprachigen Ländern fast eine Berühmtheit war und seine Ideen umfassend diskutiert wurden, hielt sich sein Bekanntheitsgrad sowie die Auflage seiner Bücher hierzulande in engen Grenzen. Vielleicht ist jetzt, vierzig Jahre später, die Zeit gekommen, um ihn auch hier endlich gebührend zu würdigen. Seine Vorschläge warten noch immer darauf, umgesetzt zu werden.

Nachbemerkung: Eine veränderte Fassung dieses Beitrags ist in der von Eckart Löhr herausgegebenen Zeitschrift Re-visionen.net am 16.8.2021 erschienen.

Titelbild

Ernst Friedrich Schumacher: small is beautifull. Die Rückkehr zum menschlichen Maß.
oekom Verlag, München 2013.
304 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783865814081

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