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Von den Irrfahrten frühneuzeitlicher Seefahrer

Von Nadine IhleRSS-Newsfeed neuer Artikel von Nadine Ihle

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Brennende Dschunken, britische Seeräuber und hungrige Eisbären – die Reiseaufzeichnungen holländischer Seefahrer des 17. Jahrhunderts enthalten so ziemlich alles, was man von einer echten Abenteuererzählung erwarten würde.

Drei frühneuzeitliche Reiseerzählungen bietet die Neuauflage der deutschen Übersetzung der „Logbücher holländischer Seefahrer im 17. Jahrhundert“. Der erste Bericht stammt aus der Feder von Willem Bontekoe van Hoorn, der im Dezember 1618 als Kapitän für die „Verenigde Oost-Indische Companie“ Richtung Asien aufbrach. Bis zu seiner Rückkehr in die Niederlande sollte es sieben Jahre dauern, die sich anfüllten mit Schiffsbrüchen, Unfällen, Hunger, Mord und Totschlag, Pfeffer- und Seidenfuhren. Man kann bei der Aufzählung eines Todesfalls nach dem anderen nicht umhin, die Absicht des Chronisten zu erahnen, die Namen dieser weitab ihrer Heimat an Skorbut, Unfällen und Gewalttätigkeiten gestorbenen Seefahrer für die Nachwelt festhalten zu wollen. Dieses Motiv zieht sich, wenn auch weniger ausführlich, wie ein roter Faden ebenfalls durch den zweiten und dritten Reisebericht.

Im März 1627 lief David Pieterzoon de Vries als Kapitän im Auftrag der Kompanie Richtung Indien aus, seine Reise sollte drei Jahre dauern. In diesem zweiten Bericht, aufgezeichnet wenige Jahre nach Bontekoe, zeigen sich bereits die deutlich verfestigten Strukturen des frühneuzeitlichen Handels von Europa nach Asien. Hier sind es nicht mehr unbekannte Schiffswege und Auseinandersetzungen mit der indigenen Bevölkerung, die die Reise bestimmten, sondern die feindselige Konkurrenz zwischen Briten und Niederländern in dieser lukrativen Handelswelt.

Seidenballen und Gewürztruhen spielten in dem dritten Reisebericht noch keine Rolle. Chronologisch vor den beiden anderen entstanden, wurde er, so der Herausgeber und Übersetzer, zur Ergänzung der beiden ersten Handelsberichte angefügt. In diesem dritten Teil berichtete Gerrit de Veer über den niederländischen Versuch, eine Nordostpassage als Seeweg nach Indien zu finden. Das Schiff unter Kapitän Jacob van Heemskerck und mit Willem Barents – Namensgeber der gleichnamigen Insel und des Meeresteils – an Bord wurde bereits nach wenigen Wochen im Sommer 1596 vom Eis eingeschlossen, und die Mannschaft überwinterte zehn Monate im Packeis, bis sie sich in zwei Schaluppen wieder auf die Rückreise machen konnte. Diese Fahrt ins Unbekannte bietet trotz des monatelangen Gefangenseins im Eis ebenso spannende Momente wie die Irrfahrten der anderen Schiffe vor Madagaskar. Es nimmt kaum Wunder, dass diese in ihrer narrativen Dramatik auf ein möglichst breites Lesepublikum zugeschnittenen Bücher Bestseller ihrer Zeit waren; wenn sie auch aus heutiger Sicht eher Befremden, Unbehagen oder Mitleid auslösen mögen. Als Einsicht in die literarische Gedankenwelt des 17. Jahrhunderts allerdings sind die drei Berichte eindringliche Beispiele, deren Motive als Urgrund in späteren literarischen Bearbeitungen des Themas, sei es von Jonathan Swift, Johann Gottfried Schnabel oder Raoul Schrott, mitschwingen. Der Versuch, die Namen der Toten für die Nachwelt zu erhalten, ist damit als gelungen anzusehen.

Titelbild

Willem Bontekoe van Hoorn: Journal der Ostindischen Reise. Logbücher holländischer Seefahrer im 17. Jahrhundert.
Marix Verlag, Wiesbaden 2013.
383 Seiten, 24,00 EUR.
ISBN-13: 9783865398598

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