Eine Liebeserklärung mit doppeltem Blick

David Wagner wandert wieder durch Berlin: In „Mauer Park“ stehen aktuelle Kommentare neben alten Feuilletons

Von Friederike GösweinerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Friederike Gösweiner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Als David Wagners erstes Berlin-Büchlein 2001 in der Nicolaischen Verlagsbuchhandlung erschien, hieß es noch „In Berlin“. Jetzt liegt es im Verbrecher Verlag neu auf und heißt „Mauer Park“. Und das nicht nur, weil Wagner die Neuauflage unbedingt nach der hinreißenden letzten – und zugleich einzig neuen – Kolumne, einer wunderbaren Liebeserklärung an den Mauer Park, benennen wollte, sondern weil Wagner seine alten Texte in dieser Neuauflage auch neu kommentiert: All jene Wege, die er für seine ersten Berlin-Feuilletons zwischen 1998 und 2001 ging, geht er nun nochmals ab, sucht Orte und Plätze von damals wieder auf und fügt seinen eigenen Betrachtungen aktuelle Kommentare hinzu, die immer am Ende der Kolumne in einem Nachsatz abgedruckt sind.

Der doppelte Blick, der Kontrast zwischen altem Texte und neuem Kommentar, machen diese Berlin-Feuilletons dabei tatsächlich noch interessanter. Diese Neuauflage an Berlin-Betrachtungen zeigt, wie sehr sich die Stadt in den letzten fünfzehn Jahren verändert hat. Gerade bei einer Stadt wie Berlin, in der Veränderung eine so zentrale Rolle spielt wie in kaum einer anderen europäischen Großstadt, lohnt dieser doppelte Blick besonders. Und da und dort zeigt sich durch diese Kommentare auch, wie sich der Berlin-Betrachter und Autor David Wagner selbst, Jahrgang 1971, in dieser Zeit verändert hat – vom Blick eines Studenten, eines Endzwanzigers auf die Stadt hin zu dem eines etablierten Autors und Familienvaters wandelt.

Was sich nicht verändert hat, ist der warme, dennoch stets klare Blick, mit dem Wagner auch in diesem Band „seine“ Stadt beschreibt. Das Ergebnis ist daher ähnlich perfekt – und durch die Doppelung aus alt und neu fast noch interessanter – wie der erste Wagner-Berlin-Streich „Welche Farbe hat Berlin“, der 2012 im Verbrecher Verlag erschienen ist. Wieder also wandert Wagner durch Berlin und staunt über die immerwährende Veränderung, freut sich daran oder ärgert sich, fragt, beobachtet, kommentiert – klug, lakonisch, ironisch, gewitzt, poetisch. Keiner dieser frühen Texte ist schwach, jedes Sujet wird durch den Wagner’schen Blick interessant, sei es die Eröffnung des Joop-Shops in Potsdam, der leider keine zwei Jahre überlebt hat, wie man im Nachsatz erfährt, sei es ein Abend in der Deutschen Oper, ein Nachmittag im Kino International oder das Porträt der FU-Rostlaube.

Wie im ersten Berlin-Band zeigt sich der Autor auch hier als sehr präziser Beobachter, der über ein erstaunliches sprachliches Vermögen verfügt, Oberfläche so plastisch zu beschreiben, dass man glaubt, selbst in Berlin zu sein, während man die Miniaturen liest. Und mehr noch, Wagner vermag das innere Wesen hinter der äußeren Hülle in Worten lebendig werden zu lassen, Unsichtbares sprachlich sichtbar zu machen. Und das ist es schließlich, was Wagners Betrachtungen so gelungen und kostbar macht. Jeder Satz sitzt, keiner ist belanglos, nichts wirkt redundant, alles ist wohlüberlegt und klug arrangiert, ohne aber altklug zu sein. Selten nur zeigt sich Wagner als bissiger, scharfer Kritiker seiner Stadt. Plump wird er aber selbst dann nicht, wenn man merkt, es geht ihm etwas mächtig gegen den Strich – „Townhouses“ etwa wurden und werden ihm eindeutig zu viele gebaut in Berlin. Aber aus solcherart Kritik spricht lediglich die Besorgnis eines Liebenden, der um seine Geliebte fürchtet. Denn letztlich ist „Mauer Park“ genau dies: das Zeugnis einer nun schon viele Jahre andauernden Liaison eines Flaneurs mit seiner Stadt. Man kann nur hoffen, es möge nicht das letzte bleiben.

Titelbild

David Wagner: Mauer Park. Roman.
Verbrecher Verlag, Berlin 2013.
240 Seiten, 14,00 EUR.
ISBN-13: 9783943167412

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