„Verbittert Eure jungen Seelen nicht!“

Eine eindrucksvolle Studie berichtet über Dietrich Bonhoeffer und Hans von Dohnanyi in ihrem Widerstand gegen Hitler

Von Volker StrebelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Volker Strebel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In ihrem Vorwort grenzen die beiden Autoren das von ihnen bearbeitete Themengebiet ein. Neben den darzustellenden Persönlichkeiten Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) und Hans von Dohnanyi (1902-1945) galt es vor allem, deren soziokulturelles Umfeld im Bildungsbürgertum mit einzubeziehen. Es zeichnet sich in Folge ein bestimmter kultureller Typus ab, dessen Prägung nach Einschätzung der beiden Autoren durch „Anstand und unermüdlichen Fleiß, Selbstlosigkeit in den Grenzen der Vernunft, Verantwortungsbewußtsein für andere und unübertroffenen Mut“ gekennzeichnet ist. Elisabeth Sifton und Fritz Stern gelangen dabei zu einem klaren Ergebnis: „Der Widerstand in Deutschlands finsterster Zeit war weitreichender, tiefgreifender und komplizierter, als es üblicherweise dargestellt wird, und wir haben auf den folgenden Seiten versucht, zumindest etwas davon zu rekonstruieren“.

In dieser packend geschriebenen und zugleich exakt recherchierten Darstellung werden zwei komplexe Biografien entfaltet, die unter den tragischen Umständen der Naziherrschaft ihr Leben verloren hatten.

Während der protestantische Theologe Dietrich Bonhoeffer vor allem in kirchlichen Kreisen als Dichter, Prediger, Theologe und auch Märtyrer nach wie vor Achtung genießt, sind Leben und Lebensleistung des Juristen Hans von Dohnanyi weitgehend in Vergessenheit geraten. Zu unrecht, wie die beiden Autoren überzeugend nachweisen!

Die vorliegende Untersuchung beleuchtet nicht nur Hintergründe einer schrecklichen Zeit, sondern offenbart in Lebenshaltung und Wirken von Bonhoeffer und Dohnanyi eine ungebrochene Aktualität.

Dass sich Fritz Stern, einer der bedeutendsten Historiker unserer Zeit, und seine Frau Elisabeth Sifton den beiden ungewöhnlichen Männern Bonhoeffer und Dohnanyi zuwenden, mag nicht zuletzt auch in ihren eigenen Biografien angelegt sein. Beide hatten Verfolgung und Exil während der Nazidiktatur erlebt und beider Eltern war die Familie Bonhoeffer persönlich bekannt gewesen. Sterns Vater kannte Bonhoeffers Vater und kein geringerer als Elisabeth Siftons Vater, der bekannte Theologieprofessor Reinhold Niebuhr, hatte sich seinerzeit dafür eingesetzt, dass Dietrich Bonhoeffer in New York am theologischen Seminar unterkommen konnte. Dies hätte Bonhoeffer von der Einberufung zur deutschen Wehrmacht bewahrt. In einem Brief vom Juni 1939 an Niebuhr begründet Bonhoeffer seinen Verzicht auf dieses großzügige Angebot: „Ich muß die schwierige Periode unserer nationalen Geschichte mit den Christen Deutschlands durchleben. Ich werde kein Recht haben, an der Wiederherstellung des christlichen Lebens nach dem Kriege in Deutschland mitzuwirken, wenn ich nicht die Prüfungen dieser Zeit mit meinem Volke teile“. Am 7. Juli 1939 fuhr Bonhoeffer mit dem Schiff wieder zurück nach Deutschland, am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg.

Sifton und Stern belegen anhand von Briefdokumenten, Notizen und Erinnerungen, wie die Familie Bonhoeffer während der Nazizeit immer mehr von der politischen Entwicklung bedrängt wurde. Bereits im sogenannten Kirchenkampf der 1930er-Jahre setzte sich der junge Theologe Dietrich Bonhoeffer für die „Barmer Theologische Erklärung“ der Bekennenden Kirche ein. Leidenschaftlich polemisiert er zudem gegen die totale Machtfülle des nationalsozialistischen „Führerprinzips“.

Mit Verbitterung nimmt Bonhoeffer die allzu kritiklose Übernahme des sogenannten „Arierparagraphen“ in der evangelischen Kirche wahr und ist über das Euthanasieprogramm der regierenden Nationalsozialisten entsetzt. Während die militärischen Anfangserfolge der Wehrmacht immer mehr Zeitgenossen in Deutschland und zuweilen auch in Europa blenden, begreifen Bonhoeffer und sein Schwager Dohnanyi die tödliche Gefahr, der Europa und Deutschland ausgesetzt ist.

Dohnanyi und Bonhoeffer treffen sich immer öfter, um gemeinsam oder mit verschwiegenen Freunden die Lage einzuschätzen. Ihnen wird immer mehr deutlich, dass der wahre deutsche Patriotismus gerade von jenen beschmutzt wird, die vorgeben, seine Sachwalter zu sein. Beide erkennen den verhängnisvollen Irrtum, Kritik an Hitler und seiner Parteiführer als Kritik an Deutschland zu empfinden.

Als persönlicher Referent des Justizministers ergeben sich für Dohnanyi immer wieder Gelegenheiten, sich mit besonders heiklen Dokumenten über Verbrechen der Nationalsozialisten vertraut zu machen. Heimlich legt er ein privates Archiv über diese Vorgänge an und versteckt dieses belastende Material in einem Wehrmachtsbunker in Zossen. Als dieses Archiv im Frühherbst 1944 der Gestapo in die Hände fällt, schnappt die Falle zu. Die Rache der Nazis war gnadenlos. Ranghohe Offiziere wie der Abwehrchef Wilhelm Canaris, General Oster und andere wurden verhaftet und später hingerichtet. Gerichtsbarkeit und Aburteilungen sprachen jeglichen rechtsstaatlichen Prinzipien Hohn. Auch Hans von Dohnanyi und Dietrich Bonhoeffer sowie sein Bruder Klaus Bonhoeffer waren zum Tod durch den Strang verurteilt worden.

Bonhoeffers Schwester Christine, die seit 1925 mit Hans von Dohnanyi verheiratet war, wurde ebenfalls verhaftet, hatte aber Deutschlands Alptraum überlebt. Aus dem Gefängnis schrieb sie in einem Brief an ihre Kinder unter anderem jene Zeilen, die sich wie ein Vermächtnis Bonhoefferscher Denkart lesen lassen: „Tragt keinen Haß im Herzen gegen die Macht, die uns das angetan hat. Verbittert Eure jungen Seelen nicht, das rächt sich und nimmt Euch das Schönste, was es gibt, das Vertrauen“.

Titelbild

Fritz Stern / Elisabeth Sifton: Keine gewöhnlichen Männer. Dietrich Bonhoeffer und Hans von Dohnanyi im Widerstand gegen Hitler.
Übersetzt aus dem Englischen von Ruth Keen und Erhard Stölting.
Verlag C.H.Beck, München 2013.
176 Seiten, 18,97 EUR.
ISBN-13: 9783406653735

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