Wortgewandt und schlagkräftig

„Schöner scheitern“ mit Katrin Bauerfeinds Buch „Mir fehlt ein Tag zwischen Sonntag und Montag“

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Mann, Alter, sieht die gut aus!“ „Tolle Haare, und auch sonst …!“ „Was hat sie noch mal gesagt?“ Eine Lesung von Katrin Bauerfeind ist durchaus schwierig. Es ist einer dieser Momente, der an die Lektüre der Klatschmagazine „Gala“ und „Bunte“ erinnert. Dies hat allerdings nichts mit der Autorin, sondern eher etwas mit dem männlichen Publikum zu tun. Vor Beginn der Lesung habe ich ein gutes Dutzend Besucher nach ihrem Grund für den Besuch dieser Lesung gefragt. Hat überhaupt jemand in das Buch reingeschaut? Ist das hier ein Konzert von Enrique oder Julio Iglesias – oder von Eros Ramazotti – nur andersrum, für Männer? Kann nicht sein, oder? Meine Geschlechtsgenossen unterhalten sich wirklich darüber, ob sie dieses „sexy Kleid“ vom Cover des Buches tragen wird. Ich werfe ein: „Bestimmt, nur tiefer ausgeschnitten, wegen Marketing!“ Kopfnicken. Genau. Ich will mich nicht aufregen, also bin ich einfach sehr unterhalten. Und es hat noch nicht einmal angefangen. This is the Muchiness of Sexiness – für Männer. Scheinbar. Hab ich nicht gewusst. Jetzt bin ich wieder schlauer. Das ist fast wie auf einer dieser Erotik-Messen. Nur andersrum. Da kann ich denn ja vielleicht auch noch etwas über das Buch schreiben. Weil – über die Lesung, das geht ja jetzt nicht mehr! Also über das Buch, darum geht’s doch, oder?

Warum schreibt Kathrin Bauerfeind ein Buch? Weil sie’s kann! Kuttner kann’s und Roche kann’s auch! Aber Katrin Bauerfeind kann’s besser. Sie startet nicht mit aufregenden literarischen Ansprüchen, schreibt keinen Aufklärungs- oder Selbstfindungsroman, es erscheinen keine blumenkohlartigen Geschlechtsteile oder man schreibt auch nicht über Erkrankungen, von denen man nur gehört hat. Das Mädel aus Aalen schreibt „nur“ ein „längeres Gedankenspiel“ über das – eigene – Scheitern – dies aber mit allem, was man zu einem guten Buch braucht. Sie schreibt mit Gespür, mit Empathie für den Gegenstand – also sich selbst –, mit Zuneigung für die Umgebung, in der gescheitert wird. Und mit Humor schreibt sie auch. Oder eher mit Ironie. Diese Ironie, die ihre Interviewpartner auf der Mattscheibe oft nicht einmal bemerken. Und viele ihrer Adepten offensichtlich auch nicht. Hier also noch mal Bauerfeinds Rhetorik in Buchform, um es in Zeitlupe zu studieren.

Ob im Job oder im Cafe, unterwegs oder beim Friseur, mit oder ohne die richtigen Klamotten oder auch nur beim vermeintlich gelungenen Versuch, einen Urlaub zu beginnen. Bauerfeind scheitert. Beim Sex, bei Beziehungen, beim „Rauchen aufhören“ und beim Buch schreiben. Denn ja, auch hier ist sie gescheitert, wie die messerscharfe Rezeptionsanalyse ihrer Lesungen stichwortartig belegt. Genau, tolles Kleid!

Bauerfeind schreibt ein intelligentes, wortgewaltiges Buch, das mit einer nur vermeintlich schlaksigen Sprache daher kommt. Immer mit Humor, mit Ironie – sehr gut versteckt, sogar in einem roten Kleid auf dem Umschlag des Buches. Genaue Sprache, emphatische Schreiben und niemals mehr sein wollen, als geht. Diese Selbsteinschätzung der Autorin macht die Lektüre der „Geschichten vom schönen Scheitern“ so unterhaltsam und gleichzeitig entspannt. Und so wirklich geht es dann ja doch nicht daneben. Zumindest nicht mit diesem Buch. Unbedingte Leseempfehlung! Und wenn man es nicht sofort schafft mit dem Lesen – dann ist man mit dem Scheitern der Lektüre eigentlich schon mitten im Buch angekommen.

Epilog: Die „Geschichten vom schönen Scheitern“ sind die einzige Lektüre, bei der nach dem Kauf mit dem „Nichtlesen“ des Buches der eigentliche Sinn desselben – in diesem Fall das „Scheitern an der Lektüre“ – sofort erfasst werden kann. Hoffen wir einmal, dass diese „Gedankenbewegung“ beim (Nicht-)Leser gelingt. Trotzdem sei dieses Buch zur genauen Lektüre empfohlen!

Titelbild

Katrin Bauerfeind: Mir fehlt ein Tag zwischen Sonntag und Montag. Geschichten vom schönen Scheitern.
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2014.
224 Seiten, 14,99 EUR.
ISBN-13: 9783596198917

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