Der Schatz der Menschheit

Ein prächtiger Bildband informiert über Kulturgeschichte und Architektur der Bibliotheken

Von Patrick MenselRSS-Newsfeed neuer Artikel von Patrick Mensel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Bis heute steht die Bibliothek von Alexandria für das Begehren der Menschheit, alles Wissen unter einem Dach zu vereinen. Moderne Projekte wie Wikipedia, die traditionellen, gedruckten Enzyklopädien den Rang abgelaufen haben, zeugen vom selben ungebrochenen Wissensdurst und von derselben ungezügelten Sammlerleidenschaft. Aber noch ist nicht alles digital und das Buch, das seit Jahrhunderten Kulturträger und -verbreiter ist, steht noch in Unmengen in Bibliotheken, die mitunter wahre Paläste sind. Ihnen ist das vorliegende Werk gewidmet.

Der prächtige Bildband verspricht Kulturgeschichte und Architektur und er hält, was er verspricht: Es geht um das Buch und dessen optimalen Aufbewahrungsort, worauf verschiedene Epochen und Kulturkreise unterschiedliche und mitunter skurrile Antworten gefunden haben. „Die Bibliothek“ weiß nicht nur durch gestochen scharfe, teils atemberaubende Aufnahmen zu begeistern, sondern ebenso durch einen fundierten Inhalt, der einen weiten Bogen spannt von der Antike bis ins 21. Jahrhundert. Jahrhundertelang waren Bibliotheken der einzige Hort des Wissens und oftmals nur wenigen zugänglich. Es waren vermutlich die Römer, welche als Erste in eingeschränktem Maße öffentliche Bibliotheken errichteten.

Wo heute nur noch Beschreibungen oder bestenfalls Ruinen von einst monumentalen Bauten zeugen, bleiben Rätsel, so wie bei der bekannten Bibliothek von Alexandria: Wie viele Schriftrollen wurden dort aufbewahrt? 40000, 200000, 700000? Wo war ihr genauer Standort? Wie sah ihr Grundriss aus? Campbell gibt in kurzweiliger Manier Antworten auf dergleiche Fragen, stellt Forschungslücken dar, ohne sich in Details zu verlieren. Es gelingt ihm, die Bedeutung einzelner Bibliotheken in die Kulturgeschichte der jeweiligen Region einzubinden. Auch bisher wenig beachtete Länder wie China mit seinem reichen kulturellen Erbe finden endlich den ihnen gebührenden Platz. So erfährt der geneigte Leser nicht nur etwas über den Tianyi-Pavillon in Ningbo, Chinas ältestes intaktes Bibliotheksgebäude 150 Kilometer südlich von Schanghai, sondern erhält nebenbei auch einen Abriss über die Entwicklung des Buches im Reich der Mitte, die dort verwendeten Schriftträger vor der Erfindung des Papiers und die Papierherstellung selbst.

Campbell meistert die wahrhaft schwierige Aufgabe, viel Wissen unaufdringlich, unterhaltsam und übersichtlich aufzubereiten, bravourös. Man möchte das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen. Jede Epoche wartet mit neuen Schätzen und Anekdoten auf. Kurzum: Der Band ist ein Muss für jeden Buch-, Bibliotheks- und Kulturfanatiker. 

Titelbild

James W. P. Campbell / Will Pryce (Hg.): Die Bibliothek. Kulturgeschichte und Architektur von der Antike bis heute.
Knesebeck Verlag, München 2013.
319 Seiten, 49,95 EUR.
ISBN-13: 9783868736113

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch