Kapstadt im Winter

Mit „black heart“ schließt der südafrikanische Autor Mike Nicol seine „Rache-Trilogie“ ab

Von Dietmar JacobsenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Dietmar Jacobsen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Sheemina February ist wieder da. Die skrupellose Kapstädter Anwältin hat es in den ersten beiden Bänden der so genannten „Rache-Trilogie“ von Mike Nicol nicht geschafft, ihren Erzfeind, den inzwischen als Sicherheitsexperten arbeitenden Ex-Waffenhändler Mace Bishop, zu eliminieren. Aber ganz nahe gekommen ist sie ihm in „killer country“ (btb 2012), dem zweiten Roman der Reihe. Mit dem Rasiermesser ihres Großvaters hat sie von einem skrupellosen Killer Maces Frau Oumou töten lassen, seinen einzigen Rückhalt in einer Welt aus Heimtücke und Gewalt. Und nun bereitet sie sich darauf vor, den finalen Schlag gegen den Mann zu führen, der sie einst, zu Apartheid-Zeiten, verstümmelt hat.

Romane aus Südafrika haben es in den letzten anderthalb Jahrzehnten geschafft, sich ganz oben auf dem immer größer werdenden Berg der internationalen Spannungsliteratur zu etablieren. Ob ihre Autoren nun Deon Meyer, Malla Nunn, Roger Smith, Andrew Brown oder Charlotte Otter heißen, um nur ein paar der bekannteren anzuführen – sie alle nutzen die Atmosphäre eines Landes im Umbruch zur Erfindung spannender Thrillerhandlungen, die mehr transportieren als angenehme, nach vier- oder fünfhundert Seiten aber anstandslos wieder weichende Schauergefühle. Und das gerade, weil am Anfang der neuen Zeit, der Zeit nach dem Ende der Apartheid, plötzlich so ein großes Versprechen existierte. Die Hoffnung, dass die bisher Unterdrückten eine Gesellschaft aufbauen würden, in der es keine Unterdrückung, keinen Hass, keine Ungerechtigkeit mehr geben würde. Lernen aus der Vergangenheit, damit sich Dinge nicht wiederholten, damit man endlich aus dem unheilvollen Kreislauf eines ewigen Gegeneinanders ausbrechen konnte.

Allein es waren dieselben Menschen, mit denen der Übergang aus der alten in die neue Zeitrechnung realisiert werden musste. Kämpften Nicols Helden Mace Bishop und sein farbiger Partner Pylon Buso eben noch gegen den militanten weißen Rassismus im Land, sahen sie sich nun plötzlich in das Haifischbecken eines neoliberalen Kapitalismus geworfen, in dem es nicht weniger gewalttätig zuging. Und natürlich mussten sie mitmachen, wenn sie nicht untergehen wollten.

Dass die Vergangenheit bei all dem Optimismus, den eine Zeitenwende hervorbringen kann, wenn sie gerade beginnt, eine viel schwerere Hypothek darstellen kann, als man denkt, hat schon John Maxwell Coetzee in seinem Roman „Disgrace“ (1999, deutsch 2000 unter dem Titel „Schande“) beschrieben. Und auch Nicols Held bekommt es von seiner Feindin bei ihrem letzten, tödlichen Aufeinandertreffen unter die Nase gerieben: „Als das neue Land geboren wurde, verlies ich die Weißen und machte es mir mit den Schwarzen bequem. Ich machte mich an sie heran und fand immer mehr heraus: Wer Provisionen bei den Waffengeschäften herausschlug, wer seinen Lebensstil änderte, welcher Gangster welchem Minister Geschenke machte […]. Wer holte sich die Farmen, wer Autos, Häuser, Luxusreisen, Direktorenposten? Welche Familie riss sich die wichtigsten Verträge unter den Nagel? Kurz und gut: Wer hatte seine schmierigen Finger in der Staatskasse?“

Derart eingebunden in die Geschäfte der neuen Herren Südafrikas, fällt es der von Bishop und Buso einst misshandelten February nicht schwer, jene Falle vorzubereiten, in die sie ihren Widersacher schlussendlich zu locken gedenkt. Der hat noch dazu alle Hände voll zu tun mit einem amerikanischen Pärchen, welches groß ins Kapstädter Casino-Geschäft einzusteigen gedenkt und dabei allzu blauäugig vorgeht, sowie einem vom europäischen Gerichtshof gesuchten serbischen Kriegsverbrecher, der seine Dienste inzwischen neuen Herren zur Verfügung stellt. Obendrein muss er sich auch noch um seine vom Tod der Mutter traumatisierte Tochter Christa kümmern und die Geschäfte seines Partners mit übernehmen, der nach einem bewaffneten Überfall auf die beiden amerikanischen Investoren angeschossen im Krankenhaus landet. Zu viele Probleme, zu wenig Zeit, auf seine alte Feindin zu achten.

Dass es am Ende doch nicht so glatt läuft, wie die rachedürstende Lady sich das vorgestellt hat, liegt daran, dass auch sie den Bogen um ein Weniges überspannt und Kräften in die Quere kommt, die in einer Atmosphäre, von Gewalt, Korruption und Rachegelüsten ihr ganz eigenes Süppchen kochen.

Im Kapstadt Mike Nicols leben der Polizist, der für ein kleines Bakschisch jeden verrät, die schwerreiche Anwältin, die sich früher gegen die Apartheid engagierte und nach deren Niederlage lukrative Geschäfte mit Gangstern, Spekulanten und Regierungsbeamten einfädelte, der Kriegsgewinnler ohne Gewissen, im Regierungsauftrag mordende Geheimdienstmänner und als Personenschützer arbeitende ehemalige Waffenschmuggler auf ein und demselben Terrain. Manchmal tolerieren sie einander. Manchmal wechseln sie die Allianzen, wenn sie sich von einem neuen Bündnis mehr Profit versprechen. Manchmal werden sie von Freunden über Nacht zu erbitterten Feinden. Sie in „Gute“ und „Böse“ zu scheiden ist nicht möglich. Geprägt von einer Vergangenheit, in der Gewalt das bevorzugte Konfliktlösungsmittel war, greifen sie auch in einer weniger übersichtlich erscheinenden Gesellschaft und auf dem schweren Weg in ein zivileres Leben regelmäßig wieder auf die alten Gewohnheiten zurück – und Töten gehört dazu.

„black heart“ ist – wie seine beiden Vorgänger – ein Pageturner im besten Sinne des Wortes. Mike Nicol gelingt es auf beklemmende Weise, seinen Lesern eine Welt nahezubringen, in der nach wie vor das Faustrecht regiert. Seine beiden Helden – Mace Bishop und Pylon Buso – unterscheiden sich bei genauerem Hinsehen nur wenig von denen, gegen die sie antreten. Auch sie wollen überleben, auch sie haben Familien zu ernähren, auch sie besitzen eine Vergangenheit voller dunkler Flecken, auch sie haben Rechnungen offen, die beglichen werden wollen und nach neuen Opfern verlangen.

Titelbild

Mike Nicol: black heart. Thriller.
Goldmann Verlag, München 2014.
480 Seiten, 9,99 EUR.
ISBN-13: 9783442742851

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch