Weniger verkannt als gedacht

Zur Edition von Robert Walsers Publikationen im Berliner Tageblatt und in der Neuen Zürcher Zeitung

Von Jens ZwernemannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jens Zwernemann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ganz so „unnütz“ und „verkannt“ wie es Robert Walser am Ende von „Der Wald“ (1933) formulierte, schien der Autor zu Lebzeiten nicht gewesen zu sein: Auf immerhin 72 veröffentlichte Texte brachte er es in der Zeit von 1907-1933 im Berliner Tageblatt, und auf noch einmal 80 in der Neuen Zürcher Zeitung. Dabei erwies sich Walser als ein gar nicht so schlecht bezahlter Autor, gewährte ihm der Feuilletonchef des Berliner Tageblatts, Fred Hildenbrandt, in den 1920er- Jahren doch immerhin „ein nicht unbeträchtliches Honorar in Höhe von 75 Mark je Prosastück“. Darüber hinaus war Walser auch ein Autor mit der Gabe zur Mehrfachverwertung seiner Texte, indem er einige der meist kurzen Prosastücke gleich in mehreren Zeitungen platzierte, unter anderem auch in der Prager Presse, dem Prager Tagblatt und dem Berner Bund.

Diesen Zeitschriftpublikationen Walsers widmet sich nun die dritte Abteilung der im Stroemfeld-Verlag unter der editorischen Ägide von Wolfram Goddeck und Barbara von Reibnitz erscheinenden Kritischen Ausgabe sämtlicher Drucke und Manuskripte, wovon nun die Bände mit den Publikationen im Berliner Tageblatt und der Neuen Zürcher Zeitung erschienen sind. Im gewohnten,Tiffany-türkisfarbenen Cover versammeln die beiden Bände neben den entsprechenden Prosastücken Walsers auch ein editorisches Nachwort der Herausgeber des jeweiligen Bandes sowie einen dokumentarischen Anhang zur Publikations- wie auch Rezeptionsgeschichte. Hierbei wurden „[s]ämtliche Dokumente […] als Auszug, Regest oder auch vollständig aufgenommen“, was letztlich dazu führt, dass sich neben aussagekräftigen Dokumenten auch solche befinden, die lediglich als Einsatzdokumente daherkommen, wie etwa fast schon mikrografische Auszüge aus Walsers Briefen („Hier und da erschienen jetzt Artikel von mir im Berliner Tageblatt.“), deren Aussagegehalt sich nicht gleich auf den ersten Blick erschließen dürfte. Das editorische Prinzip der Ausgabe, relevante Rezeptionszeugnisse in Auszügen bereits dem jeweiligen Band beizufügen, ansonsten aber auf die achte Abteilung zu verweisen, in der „Rezeptionszeugnisse […] integral“ veröffentlicht werden, ist sicherlich eine zweischneidige Entscheidung: Zum einen werden sich so Doppelungen kaum vermeiden lassen, die dann auch den Gesamtumfang der Ausgabe vergrößern werden; zum anderen ist die geneigte Leserschaft aber sicherlich auch schon jetzt vor dem – hoffentlich nicht in allzu ferner Zukunft liegenden – Erscheinen der achten Abteilung dankbar für relevante Textdokumente.

Daneben bietet die Ausgabe auf der beiliegenden DVD neben dem (klangvoll bezeichneten) „Findbuch“, einem Register aller bekannten Walser-Texte, auch – und das zählt sicherlich zu den zentralen Meriten dieser Ausgabe – sämtliche Zeitungsseiten in faksimilierter Form, wobei die Texte Walsers zusätzlich in transkribierter Version ein- beziehungsweise ausgeblendet werden können. Dadurch wird die den jeweiligen Texten im Band bereits vorangestellte, schematisch-grafische Darstellung des Verhältnisses von Walsers Texten zu den anderen Beiträgen auf den Zeitschriftenseiten sinnvoll ergänzt.

Titelbild

Robert Walser: Kritische Ausgabe sämtlicher Drucke und Manuskripte. KWA III, 3. Drucke in der Neuen Zürcher Zeitung.
Herausgegeben von Barbara von Reibnitz und Matthias Sprünglin.
Stroemfeld Verlag, Frankfurt am Main 2013.
518 Seiten, 73,50 EUR.
ISBN-13: 9783866001725

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch

Titelbild

Robert Walser: Kritische Ausgabe sämtlicher Drucke und Manuskripte. KWA III, 1. Drucke im Berliner Tagesblatt.
Herausgegeben von Hans Joachim Heerde.
Stroemfeld Verlag, Frankfurt am Main 2013.
407 Seiten, 65,50 EUR.
ISBN-13: 9783866001749

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch