Künstlerirrungen und Liebeswirrungen

Feridun Zaimoglus „Der Mietmaler. Eine Liebesgeschichte“

Von Klaus HübnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Klaus Hübner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eines gleich vorweg: Eine „Liebesgeschichte“ ist das nicht, auch wenn der Untertitel genau so lautet. Oder besser: „Der Mietmaler“, das neue Buch des 1964 im türkischen Bolu geborenen Kieler Chamisso-Preisträgers Feridun Zaimoglu, kann man unter anderem auch als ziemlich absurde Geschichte über die Liebe lesen. Erzählt wird sie von einem knapp 40-jährigen, ein wenig verwirrten Maler, dem seine Freundin Sonja gleich auf den ersten Seiten bedeutet, er möge seine Siebensachen packen und für immer verschwinden. „Sie sprach fluchbeladene Wörter. […] Ich klang verdächtig nach einem Sonntagsirren“.

Der Ich-Erzähler erlebt eine „hässliche Minute der Zermalmung“. Irgendwann sieht er ein, dass es vorbei ist. Und dass es irgendwie weitergehen muss in dieser „Saison der kalten Herzen“. Dann kommt ein Auftrag: Edouard, so heißt der etwas unentschlossen wirkende Mietmaler, soll in eine andere Stadt reisen und dort die verwitwete Nora Sillinger porträtieren. Er nimmt den Auftrag an, und von Beginn an ist das Verhältnis zwischen ihm und der bürgerlich-soliden, aber auch ziemlich undurchsichtigen Dame ein sehr angespanntes. Frau Sillinger, so höflich und apart sie manchmal scheinen mag, kann ganz schön zickig sein. Sie spart nicht mit Kritik an Edouards Malkunst und behandelt ihn auch sonst oft so, als sei sie die Herrin und der Künstler ihr Knecht. Edouard nimmt das hin, mehr noch: Er setzt viel daran, einen etwas unappetitlich gezeichneten alternden Mann, der offenkundig hinter seiner unbemannten Herrin her ist, wie eine lästige Fliege von ihr fernzuhalten. „Sie ahnten es“, sagt Frau Sillinger. „Weil es so häufig vorkommt: Mann stirbt, Freund wartet die Trauerzeit ab. Dann belästigt er die Witwe“. Und nicht nur er – schließlich sieht die Dame nicht nur passabel aus, sie ist auch nicht ganz unvermögend. „Vielleicht rochen die alten Galane tatsächlich den Speck in ihrer Tasche“. Der Mietmaler – und damit der Leser – erfährt mancherlei aus der Vergangenheit der Auftraggeberin. Eine zarte erotische Spannung zwischen ihr und dem Auftragnehmer ist unverkennbar, aber … Edouard stellt so seine Überlegungen an, über Frau Sillinger natürlich – „Sie war meisterhaft darin, im Nebel zu gehen“ –, aber auch über Männer und Frauen im Allgemeinen. Ein uraltes Thema. Mehr wird nicht verraten.

Es sind die Frauen, die den Protagonisten dieser Geschichte fortwährend beschäftigen – was sich auch daran zeigt, dass 17 der 18 dem Text beigegebenen und sehr schön reproduzierten Bilder eigenwillige, etwas düster und auf jeden Fall leicht schräg wirkende Frauenporträts sind. „Bei diesen Frauenporträts handelt es sich zwar um Frauenporträts von mir, aber in Nachahmung der Kunst des Malers“, hat Feridun Zaimoglu dem einstigen „Tagesthemen“-Star Ulrich Wickert zugeraunt. Das mag man, was immer es bedeuten könnte, mal einfach so stehen lassen – interessant sind diese Porträts allemal, und außerdem geben sie der Geschichte in der Tat eine zusätzliche Dimension. Doch weder das Geschilderte noch das Gemalte ist das Spannendste am „Mietmaler“ – das Spannendste ist, wie immer bei Zaimoglu, sein einzigartiger Umgang mit der deutschen Sprache. Das, wofür dieser Autor immer wieder zu Recht gerühmt wird, findet sich auch hier: verblüffende Wortneuschöpfungen, geniale Wiederbelebungen kaum noch gebräuchlicher Ausdrücke und ein leicht lesbarer und dennoch vertrackter Satzbau, der einen ganz eigenen, manchmal dem literarischen Expressionismus ähnelnden und den Leser geradezu süchtig machenden Erzählton hervorruft. In der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur kann das im Augenblick keiner so gut wie Zaimoglu.

Titelbild

Feridun Zaimoglu: Der Mietmaler. Eine Liebesgeschichte.
Buchverlage LangenMüllerHerbig, München 2013.
136 Seiten, 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783784433240

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