Die Liebe in den Zeiten der Drogenkartelle

Orfa Alarcóns Debütroman „Königin und Kojoten“ in deutscher Übersetzung

Von Christof RudekRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christof Rudek

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wenn Fernanda gegen Ende des Romans das Haus ihrer Rivalin um die Gunst Julios anzündet, statt mit Julios Drogen-Geld auf Shopping-Tour zu gehen und sich von seiner Gang beschützen zu lassen, dann ist das auch eine Form der Emanzipation. Fernanda hat ihre Abhängigkeit überwunden und sich Julio widersetzt. Sie hat gezeigt, wer das Sagen hat, wie sie es nennt. Nur dass sie damit nach genau dem Muster handelt, das Julios Welt bestimmt. Auch die Emanzipation hat ihre Dialektik.

„Königin und Kojoten“, 2010 in Mexiko erschienen, ist der erste Roman der 1979 geborenen Orfa Alarcón. Er spielt in Monterrey, der Millionenstadt im Nordosten Mexikos, aus der die Autorin selbst stammt. Sie ist eine der Hochburgen der mexikanischen Drogenkartelle, und in diesem Milieu ist der Roman situiert. Julio ist der Boss eines Kartells, und Fernanda, die Erzählerin und Protagonistin des Buches, ist ihm verfallen, obwohl oder gerade weil er sie schlecht behandelt. Er bietet ihr Komfort und Schutz, und damit das, was sie nach ihrer schlimmen Kindheit – ihr Vater hatte ihre Mutter ermordet – vor allem sucht. Doch Fernanda schwankt innerlich zwischen diesem Leben der auf Ausbeutung beruhenden Annehmlichkeiten, dem Wunsch nach mehr Eigenständigkeit, der in einem nie ganz aufgegebenen Universitätsstudium lebt, und den mahnenden Stimmen ihrer anständigen Schwester Sofía und ihres besten Freundes Dante. Am Ende lässt sie sich korrumpieren von der Welt des Verbrechens, der Gewalt, der Macht, des Geldes und der Statussymbole. Sie zeigt Mut, aber Mut zum Bösen. Sie erweist sich als „perra brava“, wie das Buch im Original heißt, als „mutige Hündin“.

Fernandas Liebe zu dem harten Typen Julio, die umso größer ist, je schlechter er sie behandelt, mag ein wenig klischeehaft anmuten, ihre Angst vor der Wiederkehr des seit über zehn Jahren verschollenen Vaters nicht ganz glaubhaft erscheinen, wenn sie in der zweiten Hälfte des Romans recht unvermittelt zu einem wichtigen Handlungsmotiv wird. Und die an vielen Stellen am Slang der Hip-Hop-Szene, wie sie in zahlreichen eingestreuten Songtexten der Monterreyer Band Cartel de Santa präsent ist, angelehnte Sprache kann man als Nicht-Fachmann authentisch oder ein bisschen bemüht finden (wobei hier natürlich noch die Schwierigkeit der Übersetzung von Slang in Rechnung zu stellen wäre). Dennoch: Der Roman ist temporeich erzählt, vermeidet eindimensionale Figurenzeichnung und gestaltet das Thema der Suche nach Identität in einer Gesellschaft, in der Kriminalität und Korruption zum Alltag geworden sind, auf insgesamt überzeugende Weise.

Ein Beitrag aus der Komparatistik-Redaktion der Universität Mainz

Titelbild

Orfa Alarcón: Königin und Kojoten.
Aus dem mexikanischen Spanisch übersetzt von Angelica Ammar.
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2014.
192 Seiten, 14,00 EUR.
ISBN-13: 9783803132598

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