Die Hölle auf Erden

Stefan Fischer stellt Hieronymus Boschs vollständiges Werk vor

Von Patrick MenselRSS-Newsfeed neuer Artikel von Patrick Mensel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Seine Bilder enthalten grauenvolle Darstellungen voller Fabelwesen und dämonischer Figuren, und sie lassen den Betrachter wegen ihrer Rätselhaftigkeit oftmals ratlos zurück: Es geht um das Werk Hieronymus Boschs, dem niederländischen Maler aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Schriftliche Kommentierungen sind nicht hinterlassen worden und so bleibt noch heute viel Raum für Spekulationen.

Bosch selbst entstammt einer Malerfamilie namens van Aken, die, wie der Name bereits anklingen lässt, ursprünglich aus Aachen in die Burgundischen Niederlande auswanderte. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts lassen sich Abkömmlinge der Familie in Nimwegen nachweisen. 1427 ließ sich Boschs Großvater in ‘s-Hertogenbosch nieder und konnte mit seiner Malerwerkstatt einen großen Erfolg verzeichnen. Der Familientradition folgend wurde Bosch ebenfalls als Maler ausgebildet. Die erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1474, in der er – neben anderen männlichen Familienangehörigen – einer rechtsgeschäftlichen Transaktion seiner Schwester seine Einwilligung erteilte. Damit lässt sich sein Geburtsjahr auf 1450-1455 eingrenzen. Ein weiteres wichtiges Eckdatum aus Boschs Leben ist die Heirat mit der vermögenden Patriziertochter Aleyt Goyaert van de Mervenne. Die Heirat mit der Kaufmannstochter bedeutete für Bosch einen sozialen Aufstieg und wirtschaftliche Unabhängigkeit, die nicht zuletzt seinem Werk sehr zugute gekommen sein mag.

Die unterschiedlichen Interpretationen um Boschs Werk sind zwar vielfältig, allerdings lassen sich einige Hauptströmungen ausmachen. Die wohl vorherrschende Vorstellung entwirft das Bild eines Satansmalers und lässt Boschs Namen zum Synonym für höllische Wesen und dämonische Monster werden. Es sind die finsteren Seiten, die bemüht werden, um Boschs Werk zu erklären. Er wird als religiöser Eiferer, als Moralist mit erhobenem Zeigefinger, ja gar als Vorbote der Hölle und Feind alles Menschlichen beschrieben; kurzum: das künstlerisch begabte Produkt einer barbarischen Epoche.

Andere Strömungen konzentrierten sich mehr auf Boschs seelische Verfassung, wobei die Ferndiagnosen für Bosch nicht gerade schmeichelhaft ausfielen. So attestierte R. E. Hemphill in seinem „The Personality and Problem of Hieronymus Bosch“ – erschienen in einer medizinischen Fachzeitschrift – dem Maler eine schizoide Persönlichkeitsstörung, der zufolge ein in sich gekehrter, menschliche Liebe ablehnender Charakter gezeichnet wird.

Wieder andere – angeführt von Wilhelm Fraenger – schlugen einen gänzlich anderen Weg ein. Für sie wurde Bosch zu einer Art abtrünnigem Ketzer. Das Bild des religiösen Fanatikers wurde in eine avantgardistische Form mit esoterischem Einschlag gegossen und Bosch als Häretiker umfunktioniert. Die teilweise mehr auf Spekulationen als auf Tatsachen beruhenden Thesen sind mehr denn je Zeugen einer viel zu oft oberflächlich geführten Debatte um Hieronymus Bosch.

So ist es erfreulich, dass anlässlich des 500. Todestages Boschs der Taschen Verlag einen hochwertigen Bildband über dessen Werk herausgegeben hat. Die Kommentierungen stammen von Stefan Fischer. Wer eine zuverlässige Tour d’Horizon zum Thema sucht und souverän durch Boschs Schaffen navigieren möchte, wird schwerlich bessere Alternativen finden. Es wird endlich Licht in das Dunkel des Bosch-Universums gebracht und es werden noch viele offen gebliebene Fragen beantwortet. Boschs herausstechende Ikonografie wird entmystifiziert und vom Sockel des Unnahbaren und Undurchdringbaren gestoßen. Denjenigen, die sich vornehmlich für die Bilddrucke selbst interessieren, sei gesagt, dass es sich um die ersten veröffentlichten Fotos nach der letzten Restaurierung der Originale handelt. Die ganzseitigen Abdrucke lassen – gerade bei dem Detailreichtum Boschs – keine Wünsche mehr offen.

Titelbild

Stefan Fischer (Hg.): Hieronymus Bosch. Das vollständige Werk.
Taschen Verlag, Köln 2013.
300 Seiten, 99,99 EUR.
ISBN-13: 9783836526289

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