Klassische Übersetzungen

Zur Jubiläumsausgabe der Gedichte William Shakespeares

Von Elisabeth Julie HerrmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Elisabeth Julie Herrmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Pünktlich zum 450. Geburtstag von William Shakespeare erschien im Reclam-Verlag eine Anthologie mit Liebesgedichten des Dichters. Die Anthologie ist Teil der von Ulla Hahn herausgegebenen Reihe Liebesgedichte, in der entsprechende Texte berühmter Lyrikerinnen und Lyriker publiziert werden, beispielsweise von Anna Achmatowa, Guillaume Apollinaire oder Gertrud Kolmar. Für die Liebesgedichte von William Shakespeare besorgte Raimund Borgmeier die Auswahl der Texte und Übersetzungen und auch das Nachwort zum Bändchen wurde von ihm verfasst.

Neben fünfunddreißig Sonetten enthält die zweisprachige Anthologie auch Lieder und Verse aus As You Like It, Twelfth Night, Much Ado about Nothing sowie aus anderen Liebeskomödien Shakespeares. Diese Übersetzungen wurden der Schlegel-Tieck’schen Shakespeare-Ausgabe entnommen, die ebenfalls im Reclam-Verlag angeboten wird. Den Sonetten indes sind Übertragungen von elf Übersetzern und einer Übersetzerin gegenübergestellt, die allesamt bereits in Borgmeiers zweisprachiger Reclam-Gesamtausgabe aus dem Jahr 1974 publiziert wurden: Karl Ludwig F. Kannegießer (1803), Karl Lachmann (1820), Dorothea Tieck (1826), Gottlob Regis (1836), Karl Richter (1836), Otto Gildemeister (1871), Stefan George (1909), Eduard Saenger (1909), Gustav Wolff (1939), Rudolf Alexander Schröder (bis 1941), Walther Freund (1948) und Rolf-Dietrich Keil (1959). Lediglich vier Übersetzer und eine Übersetzerin aus dieser mittlerweile veralteten Ausgabe wurden nicht berücksichtigt, und zwar Karl Simrock (1867), Max Josef Wolff (1903), Ludwig Fulda (1913), Richard Flatter (1934/1954) und Ilse Krämer (1945).

Borgmeiers Nachwort gibt einen kurzen Überblick über verschiedene Themen rund um William Shakespeare und sein Werk: Der Verfasser umreißt zunächst die wenigen biografischen Hinweise auf den Dichter und schildert im Anschluss daran die zahlreichen Theorien, die die Identität des in der Widmung genannten „W. H.“ zu entschlüsseln versuchen. Darüber hinaus zeichnet der Autor sehr knapp nach, wie Shakespeare die Sonett-Tradition verändert hat. Anmerkungen zur Problematik des Übersetzens aus dem Englischen ins Deutsche sowie ein Vermerk zur deutschen Textauswahl runden das Nachwort ab. Hier merkt Borgmeier allzu lakonisch an, dass „[e]inige besonders gute [Sonettübersetzungen], vom frühen 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart“ in der Anthologie zusammengestellt sind.

Im Vergleich zu der vor vierzig Jahren herausgegebenen Reclam-Ausgabe besticht dieser „neue“ Band lediglich durch seine Ausstattung: Nicht nur die feste Bindung und die Prägung auf dem Cover, sondern auch das rote Lesebändchen sowie das gleichfarbige Vorsatzpapier geben dem Büchlein ein geschmackvolles Erscheinungsbild.

Bei der zweiten Sonett-Ausgabe aus dem Hause Reclam handelt es sich ebenfalls um einen Nachdruck, und zwar aus dem Leipziger Verlagshaus, welches 2000 eine zweisprachige Ausgabe mit der Version von Johann Gottlob Regis anbot. Auch das Nachwort von Stefana Sabin wurde unverändert nachgedruckt. Dort behandelt die Verfasserin die Rezeptions- und Deutungsgeschichte von Shakespeares Sonetten ebenso wie die Entwicklung der Sonettform und die „Tradition der deutschen Übersetzungen der Sonette“.

Johann Gottlob Regis legte im Jahr 1836 in seinem Shakespeare-Almanach die fünfte Gesamtübertragung der Sonette von William Shakespeare vor. Etwa 65 weitere sind in der Zwischenzeit hinzugekommen, ferner 200 Teilübersetzungen (Stand: November 2014). Es ist jedoch keinesfalls so, dass heutzutage lediglich die neueren Übertragungen Käufer/innen finden. Auch ältere Übersetzungen werden immer wieder neu aufgelegt, wie besonders gut an der Version von Regis ersichtlich ist, die sich neben den Übertragungen von Friedrich Bodenstedt (1862) und Stefan George (1909) aufgrund ihres poetischen Duktus als „Klassiker“ herauskristallisiert hat und besonders ab Mitte des 20. Jahrhunderts in der DDR und in der Bundesrepublik Deutschland in Gesamt- und Einzelausgaben gerne nachgedruckt wurde.

Mit der Publikation der Liebesgedichte und der Sonette in der Übersetzung von Johann Gottlob Regis hat der Reclam-Verlag William Shakespeare zu seinem 450. Geburtstag gewürdigt. Allerdings wäre es gerade im Jubiläumsjahr wünschenswert gewesen, nicht ausschließlich Nachdrucke und Teilnachdrucke auf den Markt zu bringen, sondern auch Sonettübertragungen nach 1959 zu berücksichtigen.

Titelbild

William Shakespeare: Liebesgedichte. Engl./Dt.
Herausgegeben von Ulla Hahn. Ausgewählt und mit einem Nachwort von Raimund Borgmeier.
Reclam Verlag, Stuttgart 2013.
112 Seiten, 8,80 EUR.
ISBN-13: 9783150109083

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Titelbild

William Shakespeare: The Sonnets / Die Sonette.
Mit einem Nachwort von Stefana Sabin.
Aus dem Englischen übersetzt von Gottlob Regis.
Reclam Verlag, Stuttgart 2014.
165 Seiten, 8,50 EUR.
ISBN-13: 9783150203507

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