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Pia Ziefles zweiter Roman „ Länger als sonst ist nicht für immer“

Von Martin GaiserRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Gaiser

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Pia Ziefle ist etwas gelungen, das leicht klingt, indes aber sehr schwierig ist: nach ihrem erfolgreichen und von Publikum und Kritik gefeierten und geliebten Debütroman „Suna“ hat sie das vermeintlich so schwierige zweite Buch bravourös gemeistert. Möglicherweise hat dazu auch beigetragen, dass sie vom großen und sicher stark auf gut verkäufliche Bücher fokussierten Ullsteinverlag zum viel kleineren und sehr renommierten Arche Verlag gewechselt ist, wo man wahrscheinlich nicht den Druck auf die Autorin ausgeübt hat, der ihr bei Ullstein sicher entgegengeschlagen wäre – eine kluge Entscheidung.

„Länger als sonst ist nicht für immer“ erzählt drei Lebensabschnittsgeschichten. Es geht um Fido, der mit seinem Großvater aus dem damaligen Jugoslawien nach Süddeutschland kommt. Um Lew, der gemeinsam mit seinem Bruder in der DDR in eine neue Familie kommt, weil die Eltern von einem auf den anderen Tag weg sind. Und um Ira, die in der BRD in eine Zeit des Aufbruchs und des Widerstands hineingeboren wird, was sie vor allem daran merkt, dass ihre Mutter sie kaum wahrnimmt, weil diese andauernd mit Aktionen beschäftigt ist.

Drei Menschen aus drei Ländern, die so alle nicht mehr existieren. Ira wird einen Sohn haben, John, und als sie knapp 30 Jahre alt ist, verbringt sie viel Zeit am Bett ihres im Sterben liegenden Vaters. Lew ist nach Indien gereist, weil es deutliche Signale von dort gab, Signale, die die große Lücke in seiner Biographie zu einem Gutteil füllen könnten. Das Buch spricht von Heimat, Familie, Zugehörigkeit, von Unsicherheit und Übergängen, vom Weggehen und Wiederkommen. Von Fragen und lange nicht erhaltenen Antworten. Und wie es das tut, nein, wie Pia Ziefle das tut, ist so schön, so stimmig und passend, so den Personen, den Orten angemessen, dass man sich schon fragen muss, wie dicht eine Autorin an ihrem Stoff dran sein kann, dass sie ihn so traumwandlerisch umzusetzen in der Lage ist. Dazu kommen Beschreibungen von Evis Bäckerei, Lews Versuch, in einem indischen Hinterhof ein altes Karussell instand zu setzen (eine großartige Binnengeschichte!), auf Epochen bezogene Stimmungsbilder (aus den 1970er-Jahren in der BRD einerseits, in der DDR andererseits), die Ruhe und Melancholie eines Sterbezimmers – Pia Ziefle hat ein großes Repertoire, viele gute Einfälle und die Gabe, daraus ergreifende, lebendige Literatur zu machen. Wunderbar!

Titelbild

Pia Ziefle: Länger als sonst ist nicht für immer.
Arche Verlag, Zürich, Hamburg 2014.
290 Seiten, 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783716027158

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