Banal und böse

Volker Koop hat eine Monographie zu Rudolf Höß geschrieben, dem Kommandanten von Auschwitz

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Volker Koop hat schon einige Monographien zu verschiedenen Themen aus der Zeit des Nationalsozialismus bearbeitet und dabei einige gute Bücher veröffentlicht. Dazu gehören etwa die Monographie über die NS-Organisation „Werwolf“ (2008), über Martin Bormann (2012) oder die „Ehrenarier“ (2014). Hier versucht die Monographie von Rudolf Höß anzuschließen. Gehörten Martin Borman oder Himmlers zur Elite des nationalsozialistischen Staates, ist es bei Rudolf Höß keine einflussreiche Position im System der NS-Eliten, die seine – exemplarische – Bedeutung ausmacht. Denn eins ist sicher, und das vermittelt Koop schon auf den einleitenden Seiten: Höß repräsentiert die Bedeutung des Wortes, das Hannah Arendt in ihrem Buch über den Eichmann-Prozess über die „Banalität des Bösen“ in den Raum gestellt hat.

Rudolf Höß (1901–1947) war vom Frühjahr 1940 bis November 1943 und im Mai 1944 Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz. Zuletzt im Rang eines SS-Obersturmbannführers war er für das gesamte Lager verantwortlich. Trotzdem zählte er eher zu den administrativen Kräften des „Dritten Reiches“ und ist keiner der Eliten zuzurechnen. Er agierte als äußerst effektiver Bestandteil einer Bürokratie und gewann aus dieser Position auch sein Selbstverständnis. Dies kann man vor allem den autobiographischen „Aufzeichnungen“ entnehmen, die Höß nach seiner Gefangennahme durch die Alliierten verfasst hat und die Volker Koop einer kritischen Sichtung unterzieht. Dass er die Kritik mit Archivarbeit untermauert, unterstreicht den professionellen Anspruch seiner Monographie. Lebensumstände und Biographie von Rudolf Höß handelt Koop auf wenigen Seiten ab, auf denen die interessantesten Details sicherlich in der Mitgliedschaft von Höß bei den Artamanen zu suchen sind. In diesem Kontext ist auch die Bekanntschaft zu Heinrich Himmler entstanden, dem wohl bekanntesten Mitglied der Artamanen.

Des Weiteren fällt vor allem Koops Bemühen auf, sich mit den „Fehlern“ und Ungenauigkeiten in Höß‘ „Aufzeichnungen“ auseinanderzusetzen. Dabei wird dem Leser nicht klar, was Zweck dieser Bestrebungen ist. Will Koop Höß der unrichtigen Aussagen überführen? Angesichts von Höß’ fehlendem Schuldbewusstsein und seinem stoischen Beharren auf seiner „Rädchen im Getriebe“-Funktion wären solche Enthüllungen eigentlich sekundär, vor allem aber für den Leser der Monographie uninteressant. Und hier wird die Schwäche von Koops Monographie deutlich: Koop verliert sich in die Widerlegung von Details und scheint keinen Plan der „Erkenntnis“ zu haben. So sind dann auch bestimmte Schlüsse schwierig nachvollziehbar, wenn der Autor die Ergebnisse einer Begutachtung der Zustände im KZ Auschwitz als „Beleg dafür [nimmt], dass Höß zwar die Massenvernichtung organisieren konnte, aber ansonsten sein KZ überhaupt nicht im Griff hatte“.

Wenn es denn überhaupt eine Erklärung für das Verhalten des KZ-Kommandanten Höß gibt, ist es letztendlich wohl ein gänzlich fehlendes Schuldbewusstsein, dass sein Verhalten nachvollziehbar macht – wenn dies überhaupt möglich ist. Und so verstrickt sich die Monographie in der Detailanalyse und liefert gleichzeitig doch keine Einordnung in den wissenschaftlichen Kontext, verzichtet vollständig auf einen Bericht zum Stand der Forschung – so dass man vielleicht die Detailuntersuchungen von Koop noch sinnvoll hätte einordnen können.

Abgeschlossen wird mit einem Anhang, welcher durchaus nutzbringende Informationen für einen mit dem Nationalsozialismus nicht so vertrauten Leser enthält, wie etwa eine Übersicht zu den Dienstgaden. Letztendlich bleibt Rudolf Höß nach der Lektüre der Monographie immer noch das Synonym für die präzise organisierte und fabrikmäßige Durchführung des Massenmordes in Auschwitz. In der Monographie konnte Koop mit keinem das Erkenntnisinteresse leitenden Konzept überzeugen.

Titelbild

Volker Koop: Rudolf Höss. Der Kommandant von Ausschwitz.
Eine Biographie.
Böhlau Verlag, Wien, Köln, Weimar 2014.
338 Seiten, 24,90 EUR.
ISBN-13: 9783412223533

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