Roadtrip mit Paul

Rocko Schamonis Roman „Fünf Löcher im Himmel“

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Rocko Schamonis Roman „Fünf Löcher im Himmel“ führt einen neuen Protagonisten in das literarische Universum des Autors ein. Paul Zech ist in den Sechzigern seines Lebens angekommen und man könnte sagen, es ist vorher nicht so gut gelaufen. Eigentlich ist es sogar ziemlich schlecht gelaufen und der Protagonist steht nach der Kündigung seiner Wohnung auf der Straße. Alle gesellschaftlichen Etablierungsversuche sind gescheitert und die Reste seiner bürgerlichen Existenz trägt er in einem ebenso übersichtlichen Transportbehältnis mit sich herum. In diesem Zustand landet er in der Gaststätte des Kneipiers Pocke, für den ebenfalls ein Lebensabschnitt zu Ende geht und der mit seinen Stammgästen zusammen die letzten Getränkebestände seiner Kneipe austrinkt. Pocke schließt Freundschaft mit Paul Zech, will eine Weltreise machen, packt sein ganzes Geld zusammen und hinterlässt als einzigen Besitz Paul Zech seinen Sportwagen aus den Siebzigerjahren.

Ausgerüstet mit einem fahrbaren Untersatz, ohne Geld und mit einem Tagebuch aus seiner Jugendzeit im Gepäck, beginnt Paul Zech einen Roadtrip durch die schleswig-holsteinische Tiefebene. In den Pausen seiner Reise liest er im Tagebuch, das in den laufenden Text des Romans eingeschoben ist. Er liest über seine Jugendzeit, seine Mühen mit dem Tagebuch und über seine Anstrengungen, aus seiner Isolation als Jugendlicher auszubrechen. Dazu gehörte auch ein Theaterprojekt, bei dem er Katharina Himmelfahrt näher kennen lernt. Zech verliebt sich in seine Mitschauspielerin. Ironischerweise ist es auch noch Goethes Werther, der von den Schülern aufgeführt werden soll. Und Paul Zech spielt den Ehemann. Werther wird von einem Mitschüler gespielt, der zu den beliebtesten Schülern der Schule gehört und sofort die Eifersucht von Paul auf sich zieht. Bei einer Theateraufführung verunglückt „Werther“ bei seinem vermeintlichen Selbstmord auf der Bühne. Paul wird als eifersüchtiger Teenager verdächtigt und letztendlich verurteilt und inhaftiert. Diese Geschichte rekapituliert Zech – in erfreulich entspannter Sprache und ohne Sentimentalität. Schamoni findet einen feinen Ton, der sowohl das eingebundene Tagebuch als auch dessen erneute Lektüre glaubhaft mach.

Auf den letzten Seiten des Romans nimmt dieser noch einmal etwas Geschwindigkeit auf, als der Protagonist sich überlegt, mit seiner einstigen Liebe Katharina Himmelfahrt Kontakt aufzunehmen. Eine unvorhergesehene Wendung lässt sowohl den Protagonisten als auch den Leser überrascht zurück. Was bleibt, ist eine weitere Figur in Schamonis Universum, die alle Sympathien des Lesers hat und von der man gerne wissen möchte, was sie nach dem Ende des Romans macht. Und so schreibt Schamoni unversehens einen merkwürdigen Bildungsroman, bei dem einige Aspekte des Genres vielleicht ein wenig verdreht sind, bei dem man vielleicht auch etwas vermissen kann, der aber vor allem unterhaltsam ist und Schamoni als Meister der sprachlichen und literarischen Ausdrucksmöglichkeiten zeigt. Respekt, Herr Schamoni!

Titelbild

Rocko Schamoni: Fünf Löcher im Himmel. Roman.
Piper Verlag, München 2014.
189 Seiten, 16,99 EUR.
ISBN-13: 9783492056298

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch