Ausgleichende Gerechtigkeit

Lena Christs Mundart-Roman „Die Rumplhanni“ ist als Hörbuch erschienen

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Was den Hessen ihre Liesel, ist den Bayern ihre Lena? Naja, nicht ganz. Die eine war eine Volksschauspielerin, die andere eine Volksdichterin. Die eine lebte in der Mitte des 20. Jahrhunderts, die andere zu dessen Beginn. Vor allem aber ist die eine noch immer über die Grenzen ihres Bundeslandes hinaus bekannt, die andere kaum noch innerhalb des ihren.

Die Rede ist von Liesel und Lena Christ. Hier soll es allerdings nur um letztere gehen. Denn es gilt, ein Hörbuch einer ihrer Erzählungen zu besprechen: „Die Rumplhanni“. Sie erschien 1916, zu einer Zeit also, in welcher der Erste Weltkrieg heftig tobte.

Dass Christ und ihr literarisches Werk heutzutage allenfalls noch in literarisch interessierten Kreisen Bayerns eine gewisse Bekanntheit genießen, dürfte zwar nicht an dem leicht mundartlichen Idiom liegen, das die Schriftstellerin der Erzählinstanz ihrer Bücher verleiht; vielleicht aber doch an dem Urbayrisch, das sie die meisten ihrer Figuren sprechen lässt. Für HessInnen beispielsweise ist das kaum lesbar. Gesprochen allerdings klingt selbst dieser breite Dialekt um einiges verständlicher, wie das nun im Regensburger „LOHRBär Verlag“ erschienene Hörspiel zeigt.

Rüdiger Hacker, der Sprecher des Erzähltextes, folgt im Allgemeinen dem Wortlaut des Buches. Hier und da werden kleinere oder auch einmal etwas längere Passagen weggelassen, die sich aufgrund der eher sparsam eingesetzten Hintergrundgeräusche oder der Redeweise der Figuren erübrigen. Zuweilen wird allerdings auch ganz auf eine Szene oder eine Nebenfigur verzichtet, wie etwa auf die Episode mit dem alten Herrn in Frack und Zylinder, der Hanni für die feilgebotenen Blumen statt der geforderten drei Mark gleich 20 in die Hand drückt und ihr offenbar in der Hoffnung auf ein – wie er wohl annimmt, zu zahlendes – ‚Schäferstündchen‘ seine Visitenkarte überreicht.

Die so entstandenen Lücken in Handlung und Text füllt der Sprecher mit zwei, drei Sätzen, die kurze, passende Übergänge zur anschließenden Handlung bieten. Während er in der leicht dialektgefärbten Sprache der Erzählinstanz des Buches spricht, übernehmen die rund 50 SprecherInnen der Figuren des Buches deren ausgeprägten Dialekt. Sie scheinen dabei offenbar um der Verständlichkeit willen gelegentlich etwas angestrengt um eine besonders prononcierte Aussprache bemüht, was den Dialekt dann ein wenig künstlich erscheinen lässt. Bayrischen MuttersprachlerInnen wird das alles selbstverständlich so oder so keine Verständnisschwierigkeiten bereiten. Und auch diejenigen, die nur des Hochdeutschen mächtig sind, dürften sich langsam einhören und dann ohne größere Mühe folgen können, wenngleich ihnen manches Dialektwort unbekannt sein und somit manche Bemerkung unverständlich bleiben dürfte. Jedenfalls aber evoziert nicht zuletzt die bayrische Mundart die stimmungsvolle Vorstellung einer Gaststättenatmosphäre, des ländlichen Herbstes oder eines winterlichen Morgens in der Stadt.

Aber worum geht es in Buch und Hörspiel? Nicht lange nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges werden junge Männer des kleinen bayrischen Bauerndorfes Öd einberufen. Manch andere melden sich freiwillig zum Dienst im Grauen Rock, weil sie sich schämen, zu Hause zu bleiben, wo doch die anderen mit Leib und Leben das Vaterland verteidigen. Auch Simmerl, der einzige Sohn des Bauers Hauser zieht in den Krieg. Zuvor aber überzeugt ihn die an seines Vaters Hof als Magd verdungene Rumplhanni geschwind noch davon, dass sie von ihm schwanger sei. Als ledige Mutter, klagt sie, wäre sie dem Schimpf und der Schande des Ortes ausgesetzt. Selbst der reiche Simmerl und sein Vater könnten den Leuten mit ihrem Geld dann nicht „das Maul stopfen“, und ihr auch nicht. Offenbar legt sie es darauf an, dass er sie heiratet, was er ihr auch „auf Ehr und Seligkeit“ verspricht, bevor er loszieht.

Während Simmerl an der Front ist, macht der reiche, stolze, bucklige und trotz zahlreicher Werbungen noch immer ledige Staudenschneider-Girgl Hanni einen Heiratsantrag. Als Ehefrau schwebt ihm ein „untertäniges Frauenzimmer“ vor, das etwas von der Arbeit versteht und das „man richten könnte, wie man’s bräucht“. Am besten eine Magd also, denkt er sich. Eine „gute Postur“ und ein „saubres Gesicht“ sollte sie aber schon haben. Da scheint ihm die Hanni gerade recht. Die jedoch lehnt seinen Antrag entschieden ab. Denn sie setzt darauf, dass der Simmerl zurückkommt und zu seinem Eheversprechen steht. So unterwürfig wie der Staudenschneider-Girgl sich die Frau seiner Träume vorstellt, wäre sie aber sowieso nicht gewesen, das ist gewiss.

Zu einer Ehe mit dem Simmerl kommt es allerdings auch nicht, denn die Rumplhanni muss sich nächtlicher Zudringlichkeiten ihres Schwiegervaters in spe erwehren. Obendrein lässt ihr Leib die angesichts einer Schwangerschaft mit der Zeit doch zu erwartende Schwellung vermissen. Sie wird vom Hof verjagt, kommt wieder zurück und wird wieder verjagt. Schließlich will sie ganz weg aus Öd, vielleicht nach Berlin, wenn nicht gar nach Amerika. Zunächst aber einmal fährt das Mädchen vom Dorf mit der Bahn ins „großmächtige“ München, das sie schier erschlägt und wo sie alsbald festgenommen wird.

Dort, in der kaltherzigen Großstadt, nimmt die Geschichte eine sozialkritische Wendung. Doch ungeachtet aller Widrigkeiten und allen Ungemachs wird Hanni nie aufgeben. Dazu hätte es nicht einmal der Belehrung einer ebenfalls inhaftierten Hausiererin bedurft, die ihr im Polizeigewahrsam eröffnet: „Der Arme ist ein Opfer des Kapitulierens.“

Trotz des sozialkritischen Einschlags entlässt Christ ihre Rumplhanni schließlich mit einem konventionellen Hochzeits-Happy-End aus dem Roman. Ein aus heutiger Sicht doch recht enttäuschendes Ende. Dabei wird all das nicht ohne ironisierenden Humor erzählt, der etwa die dem sozialen Gefüge zugrundeliegende ausgleichende Gerechtigkeit durchaus anerkennt: Dafür, dass es den armen Leuten schlecht geht, geht’s den reichen wiederum besser. Solche Weisheiten bereiten auch heute noch Vergnügen.

Titelbild

Lena Christ: Die Rumplhanni.
LOhrBär-Verlag, Regensburg 2014.
3 CDs (200 Min.), 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783939529132

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