Skorpione am Niederrhein

Burkhardt Gorissens „Der Viehhändler von Dülken“ – ein historischer Roman über einen skrupellosen Geschäftsmann und dessen aufrechten Sohn

Von Malin ZinkeRSS-Newsfeed neuer Artikel von Malin Zinke

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dülken: eine kleine Stadt – oder genauer gesagt ein Stadtteil von Viersen – am Niederrhein. Dies ist der Schauplatz der vorliegenden Geschichte, welche anlässlich der 650. Jahresfeier der Stadt Dülken geschrieben wurde. Der dort lebende Journalist und Autor Burkhardt Gorissen wurde gebeten, einen historischen Roman zum Jubiläum seiner Heimatstadt zu verfassen, herausgekommen ist dabei ein Krimi, der zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges spielt, und in dem sich, dem Autor zufolge, „Fiktion und Realität die Hand [geben]“. Als Materialbasis für seinen Roman diente Gorissen u. a. die „Chronik der Stadt Dülken“; neben der Historie Dülkens studierte er eingehend die Kriminalgeschichte des Dreißigjährigen Krieges. Wer Dülken kennt, dem wird die St. Cornelius Kirche oder die Narrenakademie ein Begriff sein. Kriegsgeschichtlich interessierten Leser*innen ist vielleicht auch die Romanfigur Jan von Werth bekannt.

Der Roman ist in einen Prolog, drei Bücher, einen Epilog und ein Nachwort gegliedert. Es geht um das Leben des Tillmann Swart, den Sohn des skrupellosen Viehhändlers Henricus Swart aus Dülken. Die Handlung beginnt mit einer Nahtoderfahrung des Protagonisten, der mit Hilfe eines Engels, der ihn begleitet und anleitet, seine Lebensgeschichte niederschreibt. Im ersten Buch werden die Vorfälle geschildert, die im Jahr 1629 zum Fall und anschließenden Aufstieg des Viehhändlers von Dülken, Henricus Swart, führen. Der zehnjährige Tillmann muss auf einer Geschäftsreise seines Vaters mit ansehen, wie dieser seiner Herde und somit seiner finanziellen Existenz beraubt wird. Zurück in ihrer Heimatstadt Dülken wird Henricus von seinen Gläubigern bedroht, die fortan durch rätselhafte Skorpionsstiche ums Leben kommen.

Das nächste Buch beschreibt Tillmanns Jugend und den sich zuspitzenden Konflikt zwischen Vater und Sohn, denn der Viehhändler möchte Tillmann in sein nun erstaunlich gut laufendes Geschäft einführen. Doch sein freigeistiger Sohn ist von der unmenschlichen Art seines Vaters Geschäfte zu machen angewidert. Da er den väterlichen Wünschen nicht Folge leistet und sich obendrein noch als Katholik in die Protestantin Lisbeth verliebt, muss er schließlich vor seinem Vater aus Dülken fliehen.

Das letzte Buch erzählt, wie Tillmann Zuflucht bei einem Kaufmann in Maastricht findet und dort Karriere macht. Der Versuch seine Jugendliebe Lisbeth zu retten, die in Dülken als Hexe verurteilt wurde, führt ihn zurück in die Heimat, zugleich zur Antwort auf die Frage, wer der Skorpionsmörder war – und schließlich in die Arme des Engels.

Das Buch behandelt, neben dem vorherrschenden Vater-Sohn-Konflikt, viele Themen aus dem historischen und lokalen Kontext, die mehr oder weniger mit diesem Antagonismus in Verbindung stehen: Söldner, Hexen, die Alchemie und natürlich nicht zuletzt den Dreißigjährigen Krieg. Dabei muss jede(r) Leser*in selbst entscheiden, ob und inwieweit die Einbindung und Darstellung dieser Themen für den Handlungsverlauf und das eigene Verständnis der Geschichte relevant sind.

Geschrieben ist der Roman in der Ich-Perspektive des Jungen Swart; Für kurze Zeit kann dieser mit Hilfe des Engels allerdings in den Kopf seines Vaters blicken und erfährt dadurch von den Triebfedern seiner Taten.

Die Verkettung der einzelnen Bilder leistet ein unkonventioneller Modus der Wiederholung: Fast jeder erste Satz eines neuen Kapitels greift ein Wort aus dem letzten Satz des vorausgegangenen Kapitels auf. So werden die zentralen Geschehnisse und die Gefühlswelten der Protagonisten eng miteinander verknüpft. Durch diese Verkettungstechnik entsteht – in Verbindung mit ausführlichen Personenbeschreibungen, einer sehr bilderreichen Sprache und nicht zuletzt den teilweise in der niederrheinischen Mundart geschriebenen Dialogen – ein äußerst lebendiger historischer Roman. Dabei wirken die gelegentlichen sehr derben Ausdrücke (wie beispielsweise „den Arsch aufreißen“ und „verschissener Lausejunge“) allerdings hochgradig irritierend und für ein Buch dieses Genres schlicht unpassend.

Insgesamt bietet der Roman viel Stoff zum Miträtseln; denn obwohl der Leser das Gefühl hat, von Anfang an in die Intrigen um den Viehhändler von Dülken eingeweiht zu sein, bleibt – vor allem durch die zwielichtige Charakterzeichnung einiger Figuren – lange Zeit unklar, wer wessen Mörder gewesen ist. 

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

Burkhardt Gorissen: Der Viehhändler von Dülken. Historischer Kriminalroman vom Niederrhein.
KBV Verlags- und Medien-GmbH, Hillesheim 2014.
260 Seiten, 9,50 EUR.
ISBN-13: 9783954411894

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