Ein außergewöhnliches Reisejournal

Emile Zola auf Motivsuche für seinen späteren Roman „Rom“

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Emile Zola unternahm im Oktober 1894 mit seiner Frau eine Reise nach Rom. Bei ihrer Ankunft wurden sie von Attilio Luzzato und Graf Bertolelli von der Zeitung „La Tribuna“ begrüßt, in der die bisherigen Romane Zolas in italienischer Übersetzung erschienen waren. Zola plante einen großen Roman über das neue Rom zu schreiben, daher wollte er Informationen und Material für sein neues Projekt sammeln. Er ging dabei wie ein Journalist vor und hielt seine Beobachtungen und Eindrücke fast stichpunktartig fest.

Dieses außergewöhnliche Reisejournal ist jetzt in der Dieterisch’schen Verlagsbuchhandlung erschienen. Zola wurde von zahlreichen Persönlichkeiten der Stadt empfangen, so stattete er gleich am ersten Tag dem französischen Botschafter in Italien und dem französischen Botschafter im Vatikan einen Besuch ab. Darüber hinaus interviewte er weitere Persönlichkeiten, die er repräsentativ für das Leben der Metropole hielt. Überall wurde er mit Ovationen und Huldigungen empfangen, doch er interessierte sich mehr für die Atmosphären und Stimmungen in der Stadt.

Zola durchwanderte Rom täglich, ständig notierend und skizzierend. Er achtete auf Ausblicke und Sichtachsen in dem Häusermeer, beschrieb Gebäude und Paläste sowie deren Inneneinrichtung: „Wieder eine Tempeldecke, mit vergoldeten Kassetten. Gold auf Blau, das Wappenschild der Borghese. Mosaikboden aus Marmor“ – dann wieder Markteindrücke wie „Eingepökeltes, heftiger Geruch. Kleine Esel, Gemüsekarren hinter sich her ziehend. Die Auslagen armer Obsthändler.“ Vorbeieilende Passanten, betende Frauen, begrünte Balkone oder Maultierkarren – alles saugte der aufmerksame Beobachter in sich auf. Auch die farblichen Änderungen der Stadt im Laufe der Tageszeit vermerkte er: „Die Via Giulia. Um elf Uhr wird bereits die rechte Seite von der Sonne angestrahlt.“ Trotz der kurzen Notizen wurde jedes Detail praktisch schon für die spätere Niederschrift seines Romans vorbereitet und ausgeformt.

Obwohl ihm eine Audienz bei Papst Leo XIII. versagt blieb, konnte er dank vatikanischer Informationen auch hier genügend Motivmaterial sammeln, so über die Wohnräume oder den Tagesablauf des Papstes. Darüber hinaus entnahm Zola aus dem „Baedeker“ Fragmente von Beschreibungen, um seine eigenen Reisenotizen zu vervollständigen. Als er nach fünf Wochen Rom wieder verließ, hatte er genügend Material im Gepäck, um sich unverzüglich an seinen „Rom“-Roman zu machen, der dann bereits anderthalb Jahre später erschien.

Im Nachwort „Emile Zola entdeckt Rom“ beleuchtet der Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil, der selbst schon Rom bei zahlreichen Aufenthalten erkundet hat, die literarischen Hintergründe dieser Reise genauer. Zolas „Rom-Reisetagebuch“ ist eine interessante und kurzweilige Lektüre, die dazu anregt, das eigentliche Epos „Rom“ zu lesen und Vergleiche anzustellen.

Titelbild

Émile Zola: Meine Reise nach Rom.
Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Mainz 2014.
270 Seiten, 24,00 EUR.
ISBN-13: 9783871620812

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch