Party mit Diabolus

„Lust und Laster“ von Evelyn Waugh in neuer Übersetzung

Von Christof RudekRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christof Rudek

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Seit 2013 erscheinen im Diogenes-Verlag die Bücher des englischen Romanciers, Erzählers, Humoristen, Satirikers, Dandys, konvertierten Katholiken und Erzkonservativen Evelyn Waugh (1903-1966) in neuen Übersetzungen. Nun war „Vile Bodies“ an der Reihe, Waughs zweiter, 1930 veröffentlichter Roman, der im Deutschen den etwas dämlichen, aber weniger kryptischen Titel „Lust und Laster“ trägt. Die Übersetzung liest sich flüssig, die Aufmachung – weißer Umschlag mit Abbildung, großzügiger Druck etc. – folgt der üblichen, ansprechenden Diogenes-Ästhetik, und seinen Mangel an Tiefsinn wird man einem Buch, dessen letztes Kapitel offenherzig mit „Happy End“ überschrieben ist, wohl nicht zum Vorwurf machen wollen. Nur ist dieses Happy End eigentlich keins, und darin liegt vielleicht so etwas wie der satirische Stachel dieses ansonsten doch eher harmlosen Büchleins.

Worum geht’s? Um die englische High Society der 1920er Jahre, vor allem ihre jüngeren Mitglieder (die „wilden jungen Leute“), die, aus gutem Hause, aber meist mit wenig Geld, von Party zu Party tingeln und neben ihrem mehr oder weniger amüsanten Amüsement – einigermaßen überraschend – auch Heiratspläne im Kopf haben. Außerdem gibt es noch eine amerikanische Predigerin, die mit ihrer Engelstruppe durch die Welt reist, eine Überfahrt nach Dover bei hohem Seegang, mehrere Klatschreporter, zu denen auch Adam, die Hauptfigur des Romans, eine Zeit lang gehört, einen Jesuiten mit Hang zur Spionage, einen Verleger, der für seine Autoren, die er mit Knebelverträgen malträtiert, immer ein offenes Ohr hat, ein Autorennen, Dreharbeiten für einen religiösen Historienschinken, und manch anderes mehr. „The Great Gatsby“, geschrieben von P. G. Wodehouse, könnte man meinen.

Das alles hat Schwung und Humor und ist nur hin und wieder etwas doof, wie es sich bei einem Roman, der vor allem auf Schwung und Humor abzielt, wohl nicht vermeiden lässt. So oder so ähnlich wie im Buch beschrieben waren die „Roaring Twenties“ vielleicht wirklich, wenn man manche komische Übertreibung abrechnet. Modern geht es auf jeden Fall zu – in einem gut 30 Jahre später verfassten Vorwort, in dem er seinen Zweitling mit ironisch-kritischer Distanz bedenkt, bezeichnet der Autor das Buch als „ersten englischen Roman, in dem Telefongespräche eine erhebliche Rolle spielen“.

Aber wie war das noch mal mit dem Happy End? Am Ende bricht ein Krieg aus, wie aus heiterem oder eigentlich verschneitem Himmel – ein Diabolus ex Machina, ausgerechnet an Weihnachten. Wir begegnen Adam als Frontsoldaten wieder. Das unsinnige Treiben einer oberflächlichen, amoralischen Gesellschaft führt in den Krieg – fast wie bei Thomas Mann. Nur finden sich bei Waugh auf dem Schlachtfeld immerhin noch ein paar Flaschen Champagner und gute weibliche Gesellschaft.

Ein Beitrag aus der Komparatistik-Redaktion der Universität Mainz

Titelbild

Evelyn Waugh: Lust und Laster. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von pociao.
Diogenes Verlag, Zürich 2015.
285 Seiten, 23,90 EUR.
ISBN-13: 9783257069303

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