Kleine Blasphemie

Robert B. Parker hat in seiner Jesse Stone-Reihe dem Polizeikrimi einen ziemlich coolen Helden verpasst. Das belegen auch seine beiden jüngsten Bücher „Der Killer kehrt zurück“ und „Mord im Showbiz“

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Zeiten, in denen Autoren ihren Figuren sprechende Namen gaben, sind – Thomas Mann sei es geklagt – schon ein bisschen vorbei. Zu peinlich, zu offensichtlich auf Beifall aus und überhaupt nicht komisch, Mijnheer Peeperkorn. Wenn dann nun ein amerikanischer Krimiautor seinen Serienhelden „Jesse Stone“ nennt, und das auch noch in jüngerer Zeit, dann ist das schon bemerkenswert, zumal dann, wenn sich die Krimis auch noch lesenswert geben. In jedem Fall wird dieser Jesse Stone ein Fels der Verlässlichkeit sein, wenn man nicht noch mehr von ihm erwarten darf.

Dass Robert B. Parker ein prominenter und überaus fähiger Repräsentant des neuen hard boiled-Krimis ist, wird man unwidersprochen hinnehmen können. Seine Jesse Stone-Reihe, die immerhin mit dem großartigen Tom Selleck in der Hauptrolle verfilmt wurde, demonstriert das in eigenwilliger Weise.

Jesse Stone ist Polizeichef im Paradies – schon wieder –, Paradise heißt der Ort. Dorthin hat er sich abgesetzt, nachdem er in Florida wegen seines Alkoholismus rausgeworfen wurde. Der Alkohol – von dem er in den beiden nun erschienenen Romanen, „Der Killer kehrt zurück“ und „Mord im Showbiz“ auffallend wenig zu sich nimmt, wenn man Stones Konsum mit dem anderer amerikanischer Protagonisten vergleicht – ist seine eine Schwäche. Die andere ist seine geschiedene Frau Jenn. Stone hängt noch immer an ihr, was allerdings nicht unbedingt belohnt wird, da sie sich nun einmal entschieden hat, Karriere zu machen – und sich dafür auch die Leiter hochschlafen will. Was not tut, tut not.

Nun wirken beide Schwächen arg konstruiert – sie müssen Stone als Malus allein schon deshalb zugeschrieben werden, weil er ansonsten eine reibungslos funktionierende, dabei coole Sprüche absondernde Ermittlungsmaschine ist. Aber sie berühren ihn nicht besonders. Er trinkt hin und wieder ein Glas, immer auf Achtung bedacht. Aber er ist dem Alkohol nicht derart hemmungslos verfallen, wie das etwa die schottischen Ermittler im Solostand regelmäßig sind.

Er schläft hin und wieder mit Jenn, aber auch mit anderen Frauen, die stets von seinen Neigungen wissen. Er ist nur ein Provinzcop, aber dabei derart abgebrüht und selbstsicher, dass er sich von großen Namen, Stars und Politikern nicht beeindrucken lässt, die glauben, ihn springen lassen zu können. Er ist hartgesotten, nicht beeindruckbar und unbeirrt. Also wieder einmal nichts anderes als eine konstruierte, synthetische Figur, die für die Erzählung als organisatorische Instanz zu dienen hat, um die herum alles angeordnet ist.

Das führt notgedrungen dazu, dass der Protagonist ein wenig künstlich wirkt – was für einen Serienhelden in Ordnung ist, zumal Parker keinen Hehl daraus macht, was von seinem Helden zu halten ist. Wir mögen ihn, aber wir wissen, dass er nicht real ist, ja nicht einmal realistisch.

Die beiden nun erschienenen Krimis stammen aus den Jahren 2007 und 2008, sind also kurz vor dem Tod Parkers im Jahre 2010 erschienen. Das Meisterhafte steht dabei zwar in der Gefahr, ins Genrehafte abzugleiten – ein paar Brüche und größere Unfertigkeiten, ein paar coole Sprüche weniger hätten ihm gut getan –, doch zugleich ist davon auszugehen, dass gerade der Umstand, dass Jesse Stone unwirklich ist, der Grund für seinen Erfolg ist.

Aber nach dem Vergnügen ist eben auch gut aburteilen, denn vor allem „Der Killer kehrt zurück“ zeigt zugleich die Fähigkeiten Parkers: Ein indianischstämmiger Killer, Crow mit Namen, den Stone schon vor Jahren hat festnehmen wollen, taucht in Paradise auf. Er ist auf der Suche nach der Frau und Tochter eines Mafiabosses aus Florida. Da er keine Frauen umbringt, wendet er sich gegen seinen Auftraggeber, die Jagd beginnt, an der die Schergen des Mafiabosses sowie Crow und Stone beteiligt sind. Es gibt die notwendigen Kills und Overkills, und am Ende ist Crow doch weniger ein Killer als ein moralisch agierender Mann mit unangenehmen Fähigkeiten.

Im Vergleich dazu wirkt „Mord im Showbiz“ ein wenig konstruierter, auch wenn sich der Fall als alltäglicher herausstellt, als am Anfang zu vermuten war. Aber bei einem Mord in der Medienszene muss man schon einiges erwarten, selbstverständlich die unvermeidbaren Streitigkeiten und Eifersüchteleien, die nur unvollkommen verbrämen, dass es immer um Geld geht, um viel Geld. Aber wen wundertʼs.

So cool nun der Protagonist daherkommt, so knapp ist der Erzählstil Parkers. Er handelt seine Fälle, die hinreichend kompliziert sind, auf 300 Taschenbuchseiten ab, und man attestiert ihm gern, dass keine Seite zu wenig ist, sogar wenn Parker seine verspielten Seiten zeigt. Aber eben auch, dass keine Seite zu viel ist. Was also der sprechende Name des Helden verspricht, das halten Parkers Romane sowieso. Sie versprechen auf jeden Fall unterhaltsame Stunden.

Titelbild

Robert B. Parker: Der Killer kehrt zurück. Ein Fall für Jesse Stone.
Übersetzt aus dem Englischen von Bernd Gockel.
Pendragon Verlag, Bielefeld 2015.
307 Seiten, 10,99 EUR.
ISBN-13: 9783865324481

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Titelbild

Robert B. Parker: Mord im Showbiz. Ein Fall für Jesse Stone.
Übersetzt aus dem Englischen von Bernd Gockel.
Pendragon Verlag, Bielefeld 2015.
303 Seiten, 10,99 EUR.
ISBN-13: 9783865324474

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