Die letzte Bettung kann vielfältig sein

Kai Weyands Roman „Applaus für Bronikowski“ enttabuisiert den Bestatter-Beruf

Von Renate SchauerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Renate Schauer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Bronikowski kann nichts dafür, dass dieser leise Roman seinen Abschied von der Welt mit schwarzem Humor der Realität geräuschvoll enthebt und zum angeblich großen Auftritt stilisiert. Die Bühne dafür ist so gewählt, als handele es sich um eine Burleske, die Leben und Tod in Einklang bringen möchte. Bis auf diese Szene zum Schluss enthält Kai Weyands Applaus für Bronikowski ungeheuer viel Leichtfüßiges, über das man sich amüsieren kann, während gleichzeitig eine Lanze für das Bestatterwesen gebrochen wird.

Eltern, die sich mit einem Lottogewinn davonstehlen – das ist der Auftakt. Ihr Sohn Nies nennt sich seitdem NC. Das steht für „No Canadian“, und das C werde bitteschön englisch ausgesprochen. Der Junge wächst heran, sucht sein Auskommen, aber nicht unbedingt nach seiner Berufung. Vor allem will er hinter das Geheimnis der Wörter kommen. Da verschlägt es ihn eines Tages zufällig in ein Bestattungsinstitut.

Von Sensibilität zeugt allein schon, wie sich NC dem Institut nähert. Komplizierte Dinge wie zum Beispiel „Liebe“ hätten mindestens zwei Silben, der „Tod“ habe nur eine Silbe, und das reiche aus, denn „mehr Buchstaben […] wären geradezu geschwätzig für ein Ereignis des Verstummens“, sinniert der Protagonist und heuert als Bestattungshelfer an. Schließlich überzeugt ihn der Beruf schon im Vorfeld, weil man ihn – im Gegensatz zu Gärtner oder Koch – nicht als Hobby ausüben kann.

Da blitzt es bereits auf, das Talent, zwischen Ernst und Spaß hin und her zu oszillieren, beides auch gelegentlich zu überblenden und damit die Wachheit zu steigern. Dies macht die Perspektive des Protagonisten unverwechselbar, durchdringt seine Aktivitäten und Konflikte. NC ist nicht nur fein- und scharfsinnig, sondern bringt auch die nötige Empathie mit, um sich respektvoll in den Beruf einzuarbeiten. Es geht dabei in mehrerlei Hinsicht um Fingerspitzengefühl – sowohl im praktischen, als auch im übertragenen Sinn. Und das alles in der Holperstraße, die entlang zu gehen ihm eine Bäckereiverkäuferin mit Namen M. März empfohlen hatte. Der Inhaber des Bestattungsinstituts ähnelt Abraham Lincoln und hört auf den Namen Manfred Wege.

Wo Lebenswege enden, ist die Frage nach der Würde recht nah. Doch sogar angesichts endgültiger Abschiede schließen sich Wünsch- und Machbares gelegentlich gegenseitig aus. NC will es eigentlich allen recht machen, ist er doch ein grundanständiger Kerl, der lediglich ungewöhnliche Fragen stellt, um sich seinen eigenen Reim auf die Gegebenheiten drechseln zu können. Und siehe da: In dem bisher überwiegend Unschlüssigen steckt viel Festigkeit, mit der er Scheu und Vorurteilen begegnet, die dem Metier gegenüber herrschen.

Pietät kann überhöht, kitschig oder unterkühlt daherkommen – NC sucht stets den passenden Ton, die Entsprechung zum Individuum. Ihn erfüllt seine Tätigkeit, er will vermitteln, wie wertvoll sie ist. Im äußersten Fall kommt es zu Entscheidungen wie bei dem SchauspielerBronikowski, dem Vater der Bäckereiverkäuferin März, dessen letzte Reise man eine Burleske nennen könnte, wenn es sich um Improvisationstheater handeln würde. Hier erzählt der Autor lustvoll Absurdes, das man nicht so schnell vergisst – und für das man unbedingt schwarzen Humor mitbringen muss.

Man mag sich zunächst fragen, was den Autor geritten hat, sich so eine Episode als derben Tabu-Bruch auszudenken. Doch andererseits ist es – wie schon im Fall der improvisierten „Seebestattung“ – wohltuend, dass nicht alles, was mit Tod zu tun hat, absolut todernst sein muss. Dass sich Respekt und Komik nicht ausschließen. Dass Trauer keine Einbahnstraße in Ohnmacht und Tristesse ist, sondern auch andere Facetten haben darf und zunächst Befremdliches letztlich an Blickverengungen kratzt und Widerhaken zum Weiterdenken setzt. Dies versteht Weyand in wunderbar unkomplizierter Sprache charmant zu servieren.

NC bevorzugt es, sich seinen eigenen Reim auf die Dinge zu machen und liebt dennoch gleichzeitig Empfehlungen. Das Spannungsfeld, Wegweisungen zu folgen und dennoch einen eigenen Kopf zu behalten, bleibt übergeordnet präsent. „Vielleicht bist Du deiner Zeit voraus“, sagt ihm sein Chef. Nies geht seiner Wege und sucht künftig nicht mehr Empfehlungen in einer Bäckerei, sondern gemeinsam mit November, dem dreibeinigen Hund, in einer Metzgerei. Ach könnten wir die beiden doch dabei begleiten.

Titelbild

Kai Weyand: Applaus für Bronikowski. Roman.
Wallstein Verlag, Göttingen 2015.
188 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783835316041

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