Ein Vielseitigkeitskünstler blickt auf die gesellschaftlichen Randzonen

In seinem multimedialen Werk behandelt Peter Truschner die Gebrechen der modernen Gesellschaft

Von Darius WatollaRSS-Newsfeed neuer Artikel von Darius Watolla

Jetzt also doch: Nachdem sich Peter Truschner schon einmal für den Bachmannpreis beworben hatte, sein Text damals aber noch wegen „unnötiger Testosteronentfaltung“ – wie ihm ein Mitglied der Jury mitteilte – abgelehnt worden war, hat er es nun geschafft: Peter Truschner gehört 2015 zu den potentiellen Anwärtern auf den begehrten Literaturpreis.

Der 1967 in Klagenfurt geborene Schriftsteller entfaltet seine Wirkkraft auf unterschiedlichen Gebieten und nutzt dabei verschiedene Ausdrucksmittel, die in ihrer Gesamtheit das breite Spektrum seiner Themen widerspiegeln. Truschner entschied sich nach dem Studium der Philosophie, Kommunikationswissenschaft und Politik ganz bewusst gegen eine akademische Laufbahn und wählte stattdessen ein Künstlerleben. Er hat bereits drei Romane veröffentlicht: Schlangenkind (2001), Die Träumer (2007) und Das fünfunddreißigste Jahr (2013). Doch auch literarische Kurzformen, Essays und Erzählungen umfasst sein Werk. Nicht nur die Literatur, auch das Theater ist eines seiner Betätigungsfelder. Er schreibt eigene Stücke, ist als Regieassistent tätig und realisiert darüber hinaus Workshops und Theaterprojekte für Studierende. Aber auch die bildende Kunst, besonders die Fotografie, ist Teil seines künstlerischen Repertoires. Seine Reiseberichte werden durch Fotozyklen – zum Beispiel der im kommenden Herbst erscheinende Bildband Bangkok Struggle – ergänzt. Neben Prosa und Drama widmet er sich ebenfalls der Lyrik.

An Truschners Romanen werden immer wieder seine stilistische wie sprachliche Souveränität sowie seine ausdrucksstarken Sprachbilder gelobt – Eigenschaften, die gerade in Verbindung mit seiner Themenwahl die Relevanz seiner Texte für die deutschsprachige Gegenwartsliteratur begründen. Denn so vielfältig seine künstlerische Arbeit auch ist, es sind immer wieder bestimmte Themen und Motive, die sich wie ein roter Faden durch seine Werke ziehen und somit sein facettenreiches Œuvre einen. So richtet er seinen Blick immer wieder auf die problematischen Bereiche der modernen Gesellschaft, indem er Figuren beschreibt, die ausgeschlossen, die verstoßen sind (etwa in Die Träumer), oder indem er – wie in seinem Roman Das fünfunddreißigste Jahr – Charaktere schildert, die oberflächlich betrachtet zwar nicht ausgegrenzt sind, dennoch aber den Anschluss an ‚die Gesellschaft‘ verloren haben. Dass es in seinem Werk um mehr geht als um reine Kapitalismus-, Gesellschafts- oder Generationskritik, lässt sich eindrucksvoll an seinem Drama Kampfgesellschaft erkennen, das keine einfachen Rollenzuschreibungen im Sinne von Täter- und Opferfiguren zulässt. Diese differenzierte Sicht auf die Verwerfungen unserer Zeit wird auch durch die Zusammenstellung kontrastierender Zustände ermöglicht, die anscheinend gleichzeitig ihre Gültigkeit haben, wie Alternativlosigkeit und die Vielfalt von Möglichkeiten oder gesellschaftliche Freiheit und soziales Gefangensein.

Die Tatsache, dass sein Roman Das fünfunddreißigste Jahr im Titel wie auch inhaltlich Bezug auf Ingeborg Bachmanns Erzählung Das dreißigste Jahr nimmt, verleiht seiner Teilnahme an diesem Wettbewerb eine besondere Note. Man darf auf seinen Beitrag gespannt sein, vor allem dann, wenn ein Autor wie Peter Truschner diesen als einen „im Rahmen dieser Veranstaltung in seiner Härte eher ungewöhnlichen Text“ ankündigt.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen