Mehr als Fritten, Coke und Arschbomben

Florian Wackers Roman „Dahlenberger“ wird nicht nur Jugendlichen gefallen

Von Martin GaiserRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Gaiser

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Wir duckten uns. Hackenbarth tauchte auf, griff nach dem Brett und machte einen Klimmzug. Sein Körper glänzte ölig und obwohl ich es nicht wollte, starrte ich auf seinen Arsch, der sich bei jedem Zug anspannte. Wir hatten einiges erwartet, Backflips, einen Auerbach, eine dreifache Schraube, aber das hier machte uns sprachlos.“ Dieser Ausschnitt aus Florian Wackers Romandebüt „Dahlenberger“ beschreibt sehr gut, worum es in diesem Jugend-, Sommer- und Entwicklungsroman geht. Das „wir“ aus der Passage bezeichnet den Ich-Erzähler Jan und seine Clique, bestehend aus Hank, Klara, Jonas und Elli. Die Jugendlichen verbringen ihre Sommerferien im Dahlenberger, dem Freibad des fiktiven Örtchens Dahlenberg am Rand von Frankfurt am Main. Sie sind eng befreundet, es gibt kein festes Paar innerhalb der Gruppe. Die Jungs sind ambitionierte Wasserspringer, weswegen ein Großteil des Tages im Dahlenberger dem Springen vom Sprungbrett gewidmet wird, der Analyse der eigenen und der Sprünge der Freunde. Was sie damit bezwecken, verrät Florian Wacker nicht, an keiner Stelle des Buches ist die Rede von bevorstehenden Wettkämpfen oder Meisterschaften. Es scheint ihnen lediglich um die stetige Verbesserung zu gehen – immer auf der Jagd nach dem perfekten Sprung, der Ideallinie.

Doch neben diesem Hobby erlebt der Leser vor allem die Trägheit des Sommers, die angenehme Ziellosigkeit des Nichtstuns. Der 1980 in Stuttgart geborene und heute in Frankfurt lebende Autor schafft es, die immer wieder gleichen Personen mit ihren täglich beinahe identischen Abläufen im Schwimmbad, am Kiosk und am Fahrradständer so zu beschreiben, dass das alles nicht langweilig wird. Tatsächlich hat das Buch, vor allem in der ersten Hälfte, eine gewisse Langsamkeit und Trägheit und verwundert denkt man bei der Lektüre, wann es denn endlich einmal losgeht. Doch gerade das scheint Wackers Idee gewesen zu sein: den Leser einzulullen, um ihn dann mit einem überraschenden literarischen Wasserspritzer aus seiner Lethargie zu reißen. Das macht er mit der Figur Andy, einem Jungen, den keiner kennt und der vorsichtig und doch selbstbewusst in Richtung Sprungbrett schreitet, dabei ein auffälliges Badetuch über den Schultern trägt. Und als dieser geheimnisvolle Kerl dann einen Sprung hinlegt, der alle Zuschauer mit offenen Mündern glotzen lässt, ist es auch mit der Ruhe des Lesers vorbei.

Woher kommt er? Wo hat er so springen gelernt? Warum springt er hier ein-, zweimal, um dann genau so unauffällig wieder zu verschwinden, wie er gekommen ist? Erst wollen Jan, Hank und Jonas das nicht wirklich wahrhaben: war wohl Zufall, ein Glückssprung sozusagen. Doch als Andy wiederkommt und sich das Ganze wiederholt, müssen sie sich eingestehen, dass sie irritiert und verunsichert sind. Und auch hier bewegt Florian Wacker mehr als nur das Wasser, verändert er sein Buch erneut. Denn das Neue, das die Sicherheit störende Element ist letztlich das, worauf der Autor hinauszuwollen scheint.

Jan hat sich viel Zeit gelassen, seinen Freunden von seinem Entschluss, wegzugehen, zu erzählen. Er hat ein Stipendium für ein Internat in Frankfurt bekommen; sein Leben wird sich verändern, alte Gewohnheiten werden nicht länger Bestand haben. Und so ist „Dahlenberger“, in dem Florian Wacker viele Themen unterbringt, ohne zu viel hineingepackt zu haben – eine alleinerziehende Mutter, das erste Mal, wie gut kennt man seine Freunde wirklich und was bedeutet Freundschaft eigentlich? – ein sehr lesenswerter Roman für Jugendliche ab cirka 14 Jahren geworden, der aber, auch des literarischen Anspruchs wegen, erfahreneren Leserinnen und Lesern viel Freude machen wird. Diese wird leider durch viele ärgerliche Schreibfehler getrübt, ein sauberes Korrektorat hätte diesem auch bezogen auf die Gestaltung auffälligen Buch gut getan.

Titelbild

Florian Wacker: Dahlenberger.
Jacoby & Stuart, Berlin 2015.
216 Seiten, 14,00 EUR.
ISBN-13: 9783942787697

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