Ein heiterer Abschied

Mit der Erzählung „Ein strenges Spiel“ beweist der DDR-Schriftsteller Hermann Kant einmal mehr seine agile Handwerkskunst

Von Lea KühnRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lea Kühn

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Spricht man von dem Staat, der sich Deutsche Demokratische Republik nannte, so ist es ganz üblich, von der ehemaligen DDR zu reden. Dieses Attribut soll betonen, dass jene Staatsform der Vergangenheit angehört. Eigentlich ein überflüssiger Zusatz – niemand spricht von der ehemaligen Weimarer Republik, dem ehemaligen Römischen Reich –, aber im Hinblick auf das Werk Hermann Kants erscheint dies vielleicht sogar passend.

Denn für ihn fehlt sie dann doch, diese DDR. Nicht, weil er sich nun bloß noch ehemaliger Bestsellerautor – Die Aula war seinerzeit der meistverkaufte Roman der DDR – und ehemaliger Präsident des Schriftstellerverbandes nennen kann, sondern weil ihm die DDR als Sujet abhandengekommen zu sein scheint. Dies kann bereits für seinen zuletzt veröffentlichten Roman Kennung gelten, der zwar die Verwicklungen des Protagonisten mit der Staatssicherheit (dies schon ein ziemlich bundesdeutscher Blickwinkel) zum Thema hat, aber zuweilen nicht ergründet, was dieser Staat samt geheimdienstlicher Behörde gewesen ist. Und dieser Umstand haftet auch der kurzen Erzählung Ein strenges Spiel an, welche jüngst im kleinen Kulturmaschinenverlag erschienen ist. Es ist nicht mehr sein gewohntes Fahrwasser. Damit sei jedoch ausdrücklich nicht in den Tenor derer eingestimmt, die Kant endlich ein Mea culpa abringen wollen – für die literarische Läuterung hat er nun die letzte Gelegenheit unbeirrt verstreichen lassen.

Die kurze Geschichte berichtet von Kants Herzleiden. Wer aber glaubt, es ginge hier bloß um seine Krankheit, der irrt. Vielmehr nimmt er seine abenteuerliche Verbringung ins Krankenhaus und die dortige Kur wie gewohnt zum Anlass, die Pfade der Rahmenhandlung munter erzählend zu verlassen. Dabei hält er sich stets an den selbst formulierten Leitsatz: „Um aus unordentlichem Geschehen eine Geschichte zu machen, muss man, auch wenn es nur ein Erlebnisbericht sein soll, ordentlich erzählen.“ Eine witzige short story, die – und dies kann als typisch für den Autor gelten – sich leichtfüßig verschiedener Erzählebenen bedient. So darf der/die Leser*in das Geschehene zunächst nur mit den fiebrig fantasierenden Augen des Protagonisten sehen, bevor der Verlauf der Ereignisse gezeichnet wird. Hierbei steht oftmals der bilanzierende Blick eines alt gewordenen Autors im Vordergrund, der stets von einem wachen Geist und heiterem Augenzwinkern begleitet ist. Dabei malt er keine detailreichen Bilder der sich dargebotenen Szenerien, sondern scheidet streng das Erzählenswerte vom Rest, besticht mit rasantem Sprachrhythmus und einer gekonnt spielerischen Wortwahl, die zum wiederholten – und lauten – Lesen geradezu verführen, um den Esprit und Klang der einzelnen Passagen voll auskosten zu lassen.

Hermann Kant hat sich bei seinem früheren Schreiberkollegen Stefan Hermlin den Titel ‚Ohrenschriftsteller‘ eingehandelt – und ja, diese, wenn auch wohl etwas spöttisch gemeinte Bezeichnung passt zu dem Stil des Autoren, der mit dieser Erzählung nun leider seinen letzten Text vorlegt und dessen Werk man hoffentlich noch lange in jeder gut sortierten Bibliothek finden wird.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

Hermann Kant: Ein strenges Spiel.
Kulturmaschinen Verlag, Ochsenfurt 2015.
63 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-13: 9783943977608

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