Anleitung zum Glücklichsein

Lila Azam Zanganeh erkundet auf kreative Art und Weise das Werk Vladimir Nabokovs

Von Michi StrausfeldRSS-Newsfeed neuer Artikel von Michi Strausfeld

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Wir lesen, damit die Welt wieder verzaubert ist“. Das behauptet Lila Azam Zanganeh in ihrem neuen Buch „Der Zauberer Nabokov und das Glück“, der ein romanhaft geschriebener Essay über Leben und Werk von Vladimir Nabokov ist, des Weiteren aber auch Einblicke in die eigene Biographie gibt, vor allem aber ein möglicher Leitfaden zum Glück sein möchte.

Das zumindest suggeriert der „Reiseweg“, der auf den beiden ersten Seiten als Karte  abgedruckt wird, und dem man wie vorgegeben oder einfach nach Lust und Laune folgen kann. Eine kleine Hommage an Julio Cortázar und seinen Roman „Rayuela. Himmel und Hölle“, das Lesevergnügen als Hüpfkästchenspiel? Er, der sich den aktiven, teilnehmenden Leser wünschte, ist vielleicht ein entfernter Verwandter von Nabokov, der vom „schöpferischen Leser“ träumte. Vielleicht stimmt also die Assoziation, schließlich hat die Autorin – die sieben Sprachen beherrscht – unter anderem auch Lateinamerikanistik studiert.

Wie weckt man die Liebe zu einem modernen Klassiker? Wie nähert man sich diesem „großen Schriftsteller des Glücks“? Wie kann man die stilistische Eleganz dieses Autors einfangen? Soll man auf Jagd nach Worten gehen, so wie VN (wie er im Buch bezeichnet wird) leidenschaftlich auf Schmetterlingsjagd ging?

Genau dies versucht die Autorin: in fünfzehn Kapiteln liefert sie jeweils eine Idee des Glücks; wie sie im Vorwort sagt, sind es „Fünfzehn Variationen à la Alice“. Das Wort „Glück“ kommt dabei in jeder Kapitelüberschrift vor: „Glücksexplosion“, „Abriss vom Glück sechs verrückter Hutmacher“, „Glück über transparentem Abgrund“, „Glück im Detail“, „Glückssplitter“ und so weiter.

Zanganeh bietet dem Leser ein Feuerwerk an leicht lesbarer Gelehrsamkeit und eine brillante Analyse von insbesondere drei Werken Nabokovs: von „Erinnerung, sprich“, „Lolita“ und „Ada oder das Verlangen“. Des Weiteren ist ihr Buch ein Angebot, Nabokov neu zu lesen und alternative Zugänge zu dessen Werk zu bekommen. Aus vielen Interviews mit ihm setzt sie puzzleartig ein neues zusammen, das sie als „exklusiv“ bezeichnet, und das uns sein Leben und seine Bücher lebendig machen. Natürlich begibt sich die Autorin auf die Jagd nach Wortschöpfungen oder vergessenen Wörtern wie „hyperboreisch“, „palpebral“, „Perlmutterfalter“ oder „Sub Rosa“ und liefert im Anschluss daran die passenden Erläuterungen aus dem Werk.

Die Kunst von Zanganehs Essays besteht unter anderem darin, eine beeindruckende Kenntnis des Nabokov’schen Werks scheinbar mühelos aufzufalten, zu jedem Kapitel gibt es Quellenangaben, die jedes verwendete Wort von VN dokumentieren. Der Leser merkt gar nicht, wie intensiv ihm der „Zauberer“ nahegebracht wird, wie genau und doch spielerisch seine Romane untersucht werden. Man glaubt der Autorin gerne, dass es sich bei diesem Werk um ein Angebot handelt, das „Glück“ kennenzulernen, es einzufangen.

Nach und nach entsteht aus den einzelnen, mal sehr kurzen, mal längeren Kapiteln das „elegante und lebendige Bild meines Vaters“, wie Dimitri Nabokov über den „Zauberer“ sagte. Zanganeh hatte ihn mehrfach interviewt, sie konnte daher auch Fotos aus dem Privatbesitz integrieren, was ihr Buch ebenso zu einer Collage macht.

Spätestens seit Miguel de Cervantesʼ Don Quijote ist bekannt, dass der Roman alles darf und alles kann. Mit diesem undefinierbaren Buch, das unter anderem Biographie und versteckte Autobiographie, Interpretation und Stilanalyse, Träumerei vom und Handbuch zum Glücklichsein ist, erfährt man nun, dass auch der „Essay“ der Kreativität keine Grenzen setzt.

Lila Azam Zanganeh, die 1976 in Paris als Kind exilierter iranischer Eltern geboren wurde und später Literatur und Philosophie in den USA studierte ist mit „Der Zauberer Nabokov und das Glück“ das Kunststück gelungen, einen verstorbenen Autor so lebendig zu machen, die Liebe zu einem Klassiker so heftig zu wecken, dass man sogleich zum Bücherschrank oder in die nächste Buchhandlung geht, um sich in die Lektüre von VN zu vertiefen.

Titelbild

Lila Azam Zanganeh: Der Zauberer Nabokov und das Glück.
Übersetzt aus dem Englischen von Susann Urban.
Edition Büchergilde, Frankfurt am Main 2015.
240 Seiten, 22,95 EUR.
ISBN-13: 9783864060564

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