Der Krimi

Ein zweiter von drei verschiedenen Zugängen zu „Batman“

Von Markus EngelnsRSS-Newsfeed neuer Artikel von Markus Engelns

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Superhelden sind in Mode, doch wer abseits der populären Filme auch die Comics lesen möchte, muss sich erst einmal in komplex gewachsene Universen einlesen. Drei Zugänge zu diesem Genre bieten die hier rezensierten Beiträge zum Batman-Universum.

Während der im ersten Teil dieser Reihe besprochene Comic eine zivilisationskritische Milieu- und Psychostudie darstellt, ist der in diesem zweiten Teil vorzustellende Comic ein waschechter Krimi. In Das lange Halloween berichten Autor Jeph Loeb und Zeichner Tim Sale ebenfalls aus den früheren Jahren der Superheldenkarriere Batmans und knüpfen dabei durchaus an einige Motive des ersten Jahres an: Batman versucht mit Hilfe seiner beiden Verbündeten James Gordon und Harvey Dent, einem umtriebigen Staatsanwalt, die Mafiafamilien in Gotham unschädlich zu machen. Doch ausgerechnet die Angehörigen der Mafia fallen nach und nach einem mysteriösen Serienmörder mit dem bezeichnenden Namen ‚Holiday‘ zum Opfer, der – an Halloween beginnend – zu jedem Feiertag des Kalenderjahres einen weiteren Gangster tötet.

Ein Erzählstrang interessiert sich also für die Identifikation des Mörders, wobei der Comic geschickt immer wieder neue Fährten legt, um dann in ein überraschendes und zugleich plausibles Ende zu münden. Miträtseln lohnt sich also. Ein zweiter Erzählstrang begreift die Serienmorde allerdings nur als Katalysator für eine zunehmende Dynamisierung der zahlreichen Protagonisten: Der ohnehin schon schwelende Konflikt zwischen den Mafia-Familien eskaliert zusehends, weil sie sich gegenseitig der Morde bezichtigen. Zu allem Überfluss hat Gotham City noch ein Heer an Superschurken, das – angespornt durch den ‚Neuen im Revier‘ – aus dem Versteck kriecht und ebenfalls für Unruhe sorgt. Auch das Dreier-Bündnis zwischen Batman, Gordon und Dent ist eher eine Zweckgemeinschaft – insbesondere Dent bewundert und beneidet Batman nämlich für dessen Freiheit in Bezug auf die Verbrechensbekämpfung, während ihm selbst allzu oft die Hände gebunden sind. So ist es auch Batmans durchaus problematisches Vorbild, das den Staatsanwalt unvorsichtiger werden lässt.

Die Besonderheiten der Handlung liegen bei alledem in der Erzählweise wie auch in der sorgfältigen Bezugnahme der einzelnen Plot-Ebenen aufeinander: Die Handlung ist so durchkomponiert, dass jede noch so unwichtig erscheinende Nebengeschichte zu einem Teil des Puzzles wird. Dies gelingt auch deshalb, weil der Comic – anders als andere Superheldencomics, in denen die Helden permanent über sich selbst monologisieren – kaum Introspektionen zulässt: Die LeserInnen können sowohl den Helden, so es denn welche gibt, als auch den Schurken nur vor die Köpfe schauen, wodurch die Suche nach dem Mörder zusätzlich erschwert wird.

Tim Sales Zeichnungen greifen diesen erzählerischen Kniff gekonnt auf. Die teils holzschnittartigen Gesichter schauen nicht selten direkt aus dem Bild in die Augen des Betrachters, ohne dabei etwas über sich zu verraten. Oft liegen Augen und Gesichtspartien im Dunkeln oder sie sind von Masken, von Rauch oder Schatten verdeckt. Besonders eindrucksvoll sind deshalb auch die Momente, in denen die Konflikte ihren Höhepunkt erreichen und die Protagonisten mimisch und gestisch aus ihren Rollen fallen, um zu streiten, zu schimpfen oder plötzlich überrascht auszusehen. Dann finden die Figuren kurzzeitig zueinander, sagen etwas über sich selbst, schlüpfen dann jedoch schnell wieder in ihre Rollen zurück. Es handelt sich dann aber nur scheinbar um Augenblicke der Offenbarung, weil gleich die nächste unbeantwortete Frage eingeführt wird – und die Maskenspiele jedes Näherkommen verhindern. Licht und Farben, aber auch Perspektiven und Referenzen, etwa wenn Batmans Erzfeind Joker als Grinch unter dem Weihnachtsbaum auftaucht, sind es, welche die Handlung nachhaltig bestimmen.

Wer die letzten Batman-Filme kennt, wird hier zudem einige bekannte Motive neu gewendet und arrangiert sehen. Und wer danach auf den Geschmack rund um Das lange Halloween gekommen ist, sollte den nur wenig schwächeren Nachfolger Dark Victory und die brillante Nebengeschichte Catwoman: When in Rome (in Deutschland als Damals in Rom erschienen) gleich hinterher lesen.

Weitere Beiträge zu Batman:

Der Klassiker. Ein erster von drei verschiedenen Zugängen zu „Batman“

Der Horrorcomic. Ein letzter von drei verschiedenen Zugängen zu „Batman“

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

Jeph Loeb / Tim Sale: Batman. Das lange Halloween.
Panini Verlag, Nettetal 2010.
372 Seiten, 29,99 EUR.
ISBN-13: 9783862010288

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