Auf dem Wellenberg

„JAN, JANKA, SARA und ich“: Neue Prosa von Zsuzsanna Gahse

Von Klaus HübnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Klaus Hübner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Hanser, Suhrkamp, Rowohlt, S. Fischer – natürlich sind die wichtig! Doch den Schweizer Buchpreis hat ein Werk aus dem Grazer Literaturverlag Droschl gewonnen, und den Deutschen bekam ein 800-Seiten-Roman aus dem Hause Matthes & Seitz. Dass auch die vom unermüdlichen Literaturfreak Reto Ziegler geleitete Wiener Edition Korrespondenzen ein atemberaubend attraktives Programm zu bieten hat, ist bekannt. Seit ihrem Meisterwerk durch und durch. Müllheim / Thur in drei Kapiteln (2004) gehört die 1946 in Budapest geborene Thurgauerin Zsuzsanna Gahse mit dazu. Ihr neues Buch Jan, Janka, Sara und ich enthält mehr als 150 Kurz- und Kürzesttexte, die eher Entwürfe von Geschichten sind als abgeschlossene Erzählungen. Einen Roman ergeben sie auch nicht. „Über nichts möchte ich tausend Seiten schreiben“, hieß es schon im Südsudelbuch (2012). Herkömmliche Gattungsgrenzen haben diese Autorin noch nie interessiert. Einfache Handlungen, einfache Syntax, einfaches Vokabular. Durchlässig, luftig und offen. Alles was geschieht, ist ein Sprachereignis. Die neuen Texte unter dem Titel JAN, JANKA, SARA und ich huldigen dem Buchstaben „a“.

Auf dem Wellenberg und um ihn herum liegt Büren, eine rasant wachsende Stadt mit einer gewissen „Apothekenklumpenbildung“ im Neubaugebiet. Thur, Seerücken und Bodensee weisen darauf hin, dass dieser fiktive Ort nicht weit von Müllheim entfernt sein kann – zumal die mehr als 20 zu Wort kommenden Personen kommentieren, was ihnen gerade „durch und durch“ geht. Ob Jan, Janka, Sara, Baltasar, Anna oder Harald – nur im Reden, in der Sprache gewinnen sie ihr jeweils unverwechselbares Profil. In Büren gibt es Hunde, Hasen und Biber, sogar ein Hermelin wurde schon gesichtet. Büren kann sich weiten, nach Agadir, Frankfurt oder Toronto, in die Pariser Rue Saint-Honoré oder ins Londoner East End. Büren kann Nathalie Sarrautes Romane ebenso mühelos integrieren wie Goethes Marienbader Elegie oder die alten Schlager von Tom Jones. Alles ist in Bewegung, alles ist im Fluss. Unten im Tal lebt ein Ich, das zum „Chor“ der Stimmen gehört, aber anders als die „A“-Personen nach Büren hinaufsieht wie auf eine Theaterbühne und das Geschehen durch seine „Taltexte“ strukturiert. Spannend ist das und amüsant. Büren – das ist die Welt von heute. Zsuzsanna Gahse verzaubert sie mit ihrem hochpoetischen „Abrakadabra“.

Titelbild

Zsuzsanna Gahse: JAN, JANKA, SARA und ich.
Edition Korrespondenzen, Wien 2015.
176 Seiten, 20,00 EUR.
ISBN-13: 9783902951168

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