Es regnet Katzen und Hunde

Eine Erinnerung an Umberto Ecos Übersetzungserfahrungen

Von Stefana SabinRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefana Sabin

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Wir wissen eigentlich gar nicht, was eine Übersetzung sey“, bekannte Friedrich Schlegel. Vielleicht auch deshalb setzte der italienische Semiotiker und Romancier Umberto Eco in seinem 2006 erschienenen Band „Über das Übersetzen“ beim Lexikoneintrag „Übersetzung“ an, um mit Reflexionen über Synonymie und Homonymie, Äquivalenz und Referenz, über Interpretationsfreiheit und Worttreue, Intertextualität und Adaption fortzufahren. Übersetzung verstand Eco als ein unbestimmtes Phänomen zwischen Texten, nicht zwischen semiotischen Systemen, und seine Aufmerksamkeit galt der „Übersetzung im engeren Sinne“, also derjenigen von einer natürlichen Sprache in eine andere, „wie sie in Verlagen praktiziert wird“; nicht berücksichtigt wurden übersetzerische Unternehmungen wie Synchronisation, Dolmetschen und technische Übersetzungen, während die intersemiotische Übersetzung, also vom Buch zum Film oder vom Bild zur Musik gelegentlich erwähnt wurden. Der Band ging auf eine Vortragsreihe zurück, wobei die einzelnen Vorträge stilistisch überarbeitet, inhaltlich angereichert und aufeinander abgestimmt wurden, ohne jedoch den durchaus unakademischen Konversationston aufzugeben.

Übersetzen als sprachtechnisches und semiotisches Problem zieht sich wie ein roter Faden durch Ecos theoretisches Werk, vom “Offenen Kunstwerk“ von 1962 über „Lector in fabula“ von 1979 bis zu „Die Grenzen der Interpretation“ von 1990 und „Die Suche nach der perfekten Sprache“ von 1993. In unzähligen Vorträgen, Aufsätzen, Feuilletons und akademischen Veranstaltungen hat Eco über das Übersetzen als Praxis und als Produkt reflektiert und diese Reflexion ihrerseits kritisch hinterfragt. Denn er übersetzte selbst aus dem Französischen ins Italienische und agierte bei seiner regen Vortragstätigkeit als Selbst-Übersetzer; als Verlagslektor und Herausgeber redigierte und edierte er Übersetzungen; und da seine Werke – die theoretischen ebenso wie die fiktionalen – in viele Sprachen übersetzt wurden, hat er die Übersetzungen verfolgen können, begleiten dürfen und ertragen müssen. Eco war übersetzungserprobt und -erfahren und sprachtheoretisch ebenso wie literarisch bewandert und er trat abwechselnd als Übersetzer, als übersetzter Schriftsteller, als Sprachgelehrter und -wissenschaftler auf. Weil er potentielle Einwände mitdachte, versuchte er ausdrücklich nicht, eine Übersetzungstheorie aufzustellen, sondern verknüpfte sprachwissenschaftliche Überlegungen mit allgemeiner Übersetzungskritik und konkreten Textbeispielen, um die „Verhandlung“, als welche er Übersetzung bezeichnete, zu veranschaulichen.

Das Buch Ecos beginnt mit dem banalen Ausdruck „It’s raining cats and dogs“, den man ja nicht „im Glauben, man sage dasselbe, wortwörtlich mit ‚Es regnet Katzen und Hunde’ übersetzen kann“. Über Übersetzungsvergleiche von Passagen aus den eigenen Romanen (bei denen der deutsche Übersetzer Kroeber immer wieder Lob erhält!) und Beispiele aus der eigenen Übersetzung ins Italienische von Raymond Queneaus ‚Exercises du style’ bis zu Problemfällen wie der Übersetzung von Wortspielen oder von ortsspezifischen Ausdrücken führte er unter Berücksichtigung semiotischer und linguistischer Theorien von C.S. Peirce bis Eugene Nida den Verhandlungsprozess des Übersetzens als ein subtiles Lavieren zwischen inhaltlicher, semantischer und referentieller Treue vor. Subtext dieser Vorführung war der Glaube an die Durchschaubarkeit der Sprache als eines Zeichensystems und an ihre Bedeutung als mnemonisches Kultursystem. Dabei erwies Eco sich zugleich als großer Sprachdenker und als geschickter Schriftsteller, dem es gelang, sein Wissen und seine Faszination mit der Sprache zu vermitteln, und sein Buch wendete sich an alle, die diese Faszination teilen. Allerdings setzen die eingestreuten Zitate und der ständige Wechsel zwischen Italienisch, Französisch, Englisch, Spanisch und Latein zumindest eine oberflächliche literarische Allgemeinbildung und rudimentäre Fremdsprachenkenntnisse voraus. Darauf hatte sich der Übersetzer Burkhart Kroeber seinerseits verlassen, indem er nicht noch mehr Übersetzungen und Fußnoten hinzufügte. Kroeber zog bei der Übersetzung aus dem Italienischen auch die schon vorliegende englische Fassung hinzu und schuf einen flüssigen deutschen Text, in dem man die ständige Verhandlung mit dem Original nur ahnt. Denn schon der deutsche Titel „Quasi dasselbe mit anderen Worten“ entspricht nicht ganz dem italienischen „Dire quasi la stessa cosa“. Im Italienischen ist „quasi“ umgangssprachlich und bedeutet ‚ungefähr, fast’ – im Deutschen ist es ein Fremdwort und bedeutet ‚gleichsam, gewissermaßen’; und statt um ‚Worte’ geht es in diesem eminent linguistischen Zusammenhang wohl eher um ‚Wörter’. Aber: „Übersetzen heißt stets,“ so Eco, „einige der Konsequenzen, die im originalen Ausdruck enthalten sind, abzufeilen. In diesem Sinne sagt man beim Übersetzen niemals dasselbe.“

Titelbild

Umberto Eco: Quasi dasselbe mit anderen Worten. Über das Übersetzen.
Übersetzt aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber.
Carl Hanser Verlag, München 2006.
464 Seiten, 29,90 EUR.
ISBN-10: 3446207759

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