Kein schwacher Trost

Zu Ludwig Lahers viertem Gedichtband „was hält mich“

Von Helmut SturmRSS-Newsfeed neuer Artikel von Helmut Sturm

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es verwundert nicht, dass sich jemand, der jahrein jahraus Partei ergreift, Stellung bezieht, zuweilen die Frage stellt, was ihn denn eigentlich antreibt. Diese und andere Fragen beantwortet der im vergangenen Dezember 60 gewordene Autor Ludwig Laher in seinem seit zwölf Jahren ersten Gedichtband „was hält mich“. Der Umschlag der nach den vergriffenen Lyrikbänden „nicht alles fließt“ (1984) und „unerhörte gedichte“ (1995) sowie dem noch lieferbaren „feuerstunde“ (Wieser 2003) vierten Sammlung von Laher-Gedichten zeigt eine Aquarellzeichnung von Helga Laher-Reuer, die einen der im Granitland des Mühl- und Waldviertels zu findenden Wackelstein zum Motiv hat. Wie diese Steine zugleich Schwere und Leichtigkeit, Solidität und Fragilität evozieren, zeichnen sich Ludwig Lahers Gedichte durch Ernst und Spiel, Bestimmtheit und Mehrdeutigkeit aus. Etwa die Hälfte der knapp 70 Gedichte sind bisher noch unveröffentlicht, diese hat der Autor, wie er angibt, seit dem Abschluss des von der Kritik sehr positiv aufgenommenen Romans über das Leben eines Kriegsverbrechers „Bitter“ niedergeschrieben.

Die drei Motti, die Laher seinen Gedichten voranstellt, charakterisieren treffend die Texte. Elfriede Gerstls „mit allem / ist alles mit allem“ bringt die Suche nach den Beziehungen zwischen den Dingen zur Sprache; Ernst Meisters „Ich beruhe auf mir“ thematisiert die Autonomie des aufgeklärten Subjekts, das Laher verteidigt, und Maja Haderlaps „alles ist Rand / und vergessen und übergang“.  belegt sowohl die Nähe des oberösterreichischen Schriftstellers zu Menschen am Rand, die ja auch in allen seinen Romanen die Protagonisten sind, als auch sein Bewusstsein davon, dass selbst der autonome Mensch nicht absolut ist.

Thematisch geht es in den Gedichten um Selbstreflexion, Sprache und Schreiben, Gesellschaft, Liebe und Natur. Laher wendet verschiedene Verfahrensweisen an; am auffälligsten ist der Einsatz von sprachlicher Reduktion und das durchaus ernste Spiel mit Permutationen. Er verzichtet weitgehend auf Mittel, die Gedichte schön klingen lassen wie Reim und regelmäßiges Metrum – Lahers Poetik ist stark rhetorisch geprägt. Er hält nicht hinter dem Berg, dass er etwas zu sagen hat.

Sofort sichtbar ist der gänzliche Verzicht auf Satzzeichen. Deren interpretatorische und Eindeutigkeit herstellende Funktion kommt so als Aufgabe dem Leser zu. Das ist bei den kurzen Texten keine Überforderung, führt aber mitunter zu ungewohnten Lesarten. „was hält mich“ – ohne Frage eine Frage? Ohne Fragezeichen keine Antwort? „was hält mich / auf trab im geschirr / was hält mich / in atem“. Der Verzicht auf die Interpunktion bedeutet in diesem Zusammenhang vielleicht auch das Ausblenden der religiösen Konnotation: Die Frage stellt sich nicht mehr im Rahmen einer metaphysischen Tradition, der Fragesteller bleibt ganz im Diesseits, das jede Antwort verweigert.

Faszinierend ist, wie es Laher gelingt, vordergründig banale Aussagen mit dem Mittel des Verses von ihrer das Überdenken verhindernden Oberfläche zu befreien: „wovon / man / nicht / sprechen / kann / das / lässt / sich / zerreden“. Dabei kommt in all der Lakonie auch Humor nicht zu kurz: „die jahre kommen / und gehen // in die jahre kommen / und gehen“.

Gerade weil sich Ludwig Laher darum bemüht, falsche Phrasen zu enttarnen („ein schwacher trost / nach dem anderen / wird allen gespendet“) und dabei radikal (im Wortsinn) vorgeht, entfalten seine Gedichte eine Wirkung, die das Leben erträglicher macht.

Titelbild

Ludwig Laher: was hält mich. Gedichte.
Wallstein Verlag, Göttingen 2015.
78 Seiten, 18,90 EUR.
ISBN-13: 9783835317383

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