Mephisto gibt keine Ruhe

Renate Berger widmet Gustaf Gründgens und Klaus Mann eine Doppelbiografie

Von Heribert HovenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Heribert Hoven

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Bereits vor einiger Zeit entdeckte die Biografik den Reiz von Paarbiografien: Ob Zelda und Scott Fitzgerald, Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre, Gabriele Münter und Wassily Kandinsky, kaum eine kreative Beziehung entging dem Forscherspürsinn. Nun also Klaus Mann und Gustaf Gründgens. Natürlich waren die beiden kein Paar im traditionellen Sinne und trotzdem an entscheidenden Wegmarken ihres Lebens eng miteinander verknotet, wenn auch die gegenseitige Verbundenheit durchaus asymmetrisch war. Zunächst ging die Initiative wohl eher von dem jungen Schauspieler Gründgens aus, der sich, zuerst als Mitglied der illustren Schauspielertruppe um Erika und Klaus Mann, dann als Schwiegersohn in der Mann-Familie bessere berufliche und gesellschaftliche Aufstiegschancen erhoffen durfte. Später machte Klaus Mann den inzwischen durchaus kritisch gesehenen Schwager zum Protagonisten seines wohl berühmtesten Romans „Mephisto, Roman einer Karriere“.

Renate Berger, Professorin für Kunst- und Kulturwissenschaft, hat nun der prominenten Paarung ein Werk gewidmet, das man als Doppelbiografie bezeichnen könnte. Denn tatsächlich war der gemeinsame Lebensweg der beiden in zeitlicher Hinsicht nur sehr knapp bemessen. Das Leben der zwei Männer ist gut dokumentiert und weitgehend erforscht. Trotzdem spaltet „Mephisto“, sein Darsteller als auch der Autor des Romans, die Fan-Gemeinde. Wenngleich Berger ihren eigenen Standpunkt oft hinter Fragesätzen verbirgt, liegen ihre Sympathien eher auf Seiten von Gründgens. Diesen beschreibt sie als jemanden, der sich aus beengenden Verhältnissen mühsam und auf eigene Kräfte vertrauend hocharbeiten musste. Selbst seine Glanzzeit als General-Intendant der preußischen Staatstheater kommt ihr vor wie der „Tanz auf dem Vulkan“, so der Titel ihres Buches, stets bedroht vom Absturz. Klaus Mann hingegen erscheint ihr als ein rechter Schnösel, hedonistisch und allzeit warm gebettet im Nest der Familie. Freunde hätten ihn überzeugen müssen, dass er Gründgens mit seinem „Mephisto“-Roman Unrecht getan habe. Sogar den Freitod der beiden Künstler wertet Berger unterschiedlich. Klaus Mann schied demnach voller Selbstmitleid und Weltekel aus dem Leben, während es bei Gründgens vielleicht sogar ein Unfall war.

Berger sind in „Tanz auf dem Vulkan“ einleuchtende und sehr anschauliche Porträts gelungen. Thomas Mann und seine Familie sieht sie kritisch. Hier sei Verdrängung oberstes Prinzip gewesen. Man habe „die Hunde an die Kette gelegt“, wie es Thomas Mann selbst einmal formulierte. Die Mann-Frauen verurteilt sie aus feministischer Perspektive. So habe sich die zu großen Hoffnungen Anlass gebende Katja in allem ihrem Mann untergeordnet. Erika und Klaus hätten sich auf Kosten anderer amüsiert und wie alle Familienmitglieder auf den kleinen Mann herabgeschaut. Die Bücklinge vor den reichen amerikanischen Gönnerinnen werten die Begünstigten als „Konzession an die Leichtigkeit des Seins“, während dem ehemaligen Schwiegersohn Opportunismus vorgeworfen wird. Gründgens hingegen habe sich stets auf die eigenen Fähigkeiten verlassen müssen, wobei Ehrgeiz die beiden Porträtierten ausgezeichnet habe. Beiden konstatiert die Autorin überdies ein gewisses Inferioritätsproblem. Akzeptanz und Anerkennung seien ihr Lebensziel gewesen, sie wollten bezaubern um jeden Preis. Ein Schlüsselerlebnis war für Gründgens sicherlich, dass ihn die „Berliner Illustrierte Zeitung“ 1925 auf dem Titelbild mit den Mann-Geschwistern und Pamela Wedekind herausgeschnitten hatte. Klaus Mann immerhin zeigte sich seinem Vater darin überlegen, dass er schon recht früh und deutlich auf die Gefahren hinwies, die vom Nationalsozialismus ausgingen, und sich so vom Ästheten zum Moralisten entwickelte.

Renate Berger führt eine feuilletonistische Feder, was die Lektüre durchaus anregend macht. Offenbar aber schien ihr der „Tanz auf dem Vulkan“ allein nicht gehaltvoll genug für ein ganzes Buch. Deshalb füllt sie die Seiten mit umfangreichen Exkursionen über André Gide, Erich Ebermayer, Marianne Hoppe und Carl Zuckmayers Berichte für den Geheimdienst OSS. Sie verfasst eine ausführliche Inhaltsangabe des „Mephisto“-Romans und erklärt mehrfach und intensiv den Unterschied zwischen pädophil und pädosexuell.

Wenngleich sie eine „tief greifende Affinität zwischen Schauspieler und NS-Politikern“ ausmacht, erscheint ihr Gründgens beinahe als Lichtgestalt. Das Theater sei für ihn eine Fluchtmöglichkeit, quasi ein Exil gewesen. Hier habe er viele Verfolgte retten können und sei dabei selbst stets „mit einem Bein im KZ“ gestanden. Trotzdem stellt Berger fest: „Theater und Film waren Sedativa des Systems.“ Auch deshalb bewertet die Justiz heute, anders noch als in der Nachkriegszeit, den Mitläufer als ein Rad, das den Unterdrückungsapparat am Laufen gehalten hat.

Titelbild

Renate Berger: Tanz auf dem Vulkan. Gustaf Gründgens und Klaus Mann.
Lambert Schneider Verlag, Darmstadt 2016.
320 Seiten, 24,95 EUR.
ISBN-13: 9783650401281

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